Warmsingen für den Kirchentag (362)


Guten Morgen, der Wodkavorrat ist fast alle, müssen in Leipzig nachladen. Na gut, fällt der Kulturausflug eben ins Wasser und im Wald gibt’s außer Schmodder an den Sohlen eh nichts einzusammeln. Doctor Makarios widerspricht heftig, doch der Vorteil des Nachladens liegt zuweilen auf der Hand: es darf ein wenig geruht werden, bestimmt ist man hinterher deutlicher fitter und juchzend zu neuen Pratajev-Taten bereit.


Gesagt, geruht, getan. 17 Uhr Abfahrt nach Wittenberg, Ziel: Irish Harp Pub, der VW dieselt über den Asphalt. An einer Futtertränke am Wegesrand kommt er kurz vor der Lutherstadt zum Stehen. Zwei Damen vom Grill wittern kleines Geld, Mutter und Nachbarstochter. Mutter spricht: „Die Jabeln sind neben die Servietten.“ Fürst Fedja spricht: „Dem Jünther seine Jabel am Jrill im Jarten.“ Doctor Pichelstein denkt gleich an Brandenburger Dialekt, aber nein, auch in Sachsen-Anhalt wird aus einem profanen G bisweilen ein tolles J und dass Teile der Jabel bald im Zahnfleisch des Fürst Fedja stecken, ist dem Experiment „Ich bastele mir einen Zahnstocher aus einer Plastikgabel“ geschuldet. Weiter geht’s, good things come to those who wait, das erste Guinness mit geschaumdrucktem Kleeblatt wartet.


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Im Irish Harp buckeln Wirt und Gitarrendoctor die Bühnenecke zurecht. Darüber läuft die klassische TV-Leibesertüchtigung, unten wie auf dem Hängeplasma wird geschwitzt und gelitten. Als erste Boxentöne erklingen, riecht es plötzlich streng nach Fritte. Aha, Fedja und Makarios waren im Imbiss nebenan. Wohl bekommt’s, der Soundcheck muss für heute reichen. Außerdem füllt sich der Laden bereits und zwar solange bis „Ausverkauft“ gerufen wird. Herrliches Wittenberg, du großartige Biberstadt, wandelst auf Luthersocken, bereitest dich auf den Kirchentag im Maien vor. Tausende werden kommen und mancher wird sich hinterher (Elbebrücke gesperrt, Fähren sterbenskrank, großes Chaos) frei nach Wiglaf Droste fragen: „Wo warst du Nero? Und vor allem: Wo waren deine hungrigen Löwen, als die Lutheraner in Wittenberg einfielen und in vielfacher Divisionsstärke durch die Rabatten trampelten?“ Aber - liebe baldigen Besucher des Kirchentages, seid keine Puristen („Every sperm is sacred“), wenn Ihr schon in der Stadt seid: Die Hundertwasserschule in Wittenberg ist nichts, aber auch gar nichts gegen die Hundert-Guinness-Schule des Irish Harp Pup. Da geht mal hin, auch wenn das Eingangsschild aus Blech „Hier spuckte Luther eine schlechte Erbse auf den Boden“ (der Bibelmann litt, wie wir wissen, unter Meteorismus, der sogenannten „Blähsucht“) fehlt.


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Pia hat gleich Geburtstag, auf in die erste Runde. Denn hier sind sie, die Russian Doctors! Makarios brüllt sich galant durch die erste Staffel, Pichelstein flüstert und das reicht schon aus, um lauter als der Sangesdoc zu sein. Hat doch wer am Technikpult gedreht, immer suboptimal, wenn darauf keine Klebis mit der Aufschrift „Mikro M“ und „Mikro Pi“ angebracht wurden. Mitten im „Idyll“ müssen die Dinger gewechselt werden, was erstaunlicherweise gelingt. Um die Ecke kreischen Mädchen, ganz vorn harren die Jungs aus und ein verwegener „Wilder Bursche“ wie ihn Pratajev nicht besser hätte malen können, steppt sich frei und wiegt den Rumpf. Dicht an dicht geht’s vor der Bühne zu, dicht und dichterreich darauf. Wären Börsianer zugegen, würden die Aktien der Kaltgetränkehersteller in den Himmel schießen. Irgendwann läutet die sonore Rum-Tonic-Stimme des Doc M zur Pause. Pichelsteins nächster Weltrekordversuch im Schnellgitarrespielen ging zuvor knapp um ein paar Anschläge pro Sekunde daneben. Hurtig ein Astra gekippt, wichtig wegen der Elektrolyte. Verlust und so.


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Und dann ist es soweit: Null Uhr, das Set der Doctors befindet sich nach Vollendung der Bauernoper Prumskis im berühmt-berüchtigten Tierblock. Der Pia-Maus wird ein glorreiches Jahr aufs junge Altersblatt gutgeschrieben, schon flitzt sie umher, Umarmer folgen, es gibt Kuchen, Karten, Kekse und Schmatzer und ein Ehrenlied der Doctors obendrauf. Um diese Zeit zerfließt bereits die Schwitzebühne, in den Zugaben folgt er dann, der „Raucher von Bolwerkow“ und ein noch nie dagewesenes Momentum geschieht: Rhythmisches, begeistertes Klatschen im Refrain! Jetzt müsste man den kennen, okay: „Es ließ sich nicht vermeiden / Er hackte auf sie ein / Er hackte sie kaputt / Fürwahr das war nicht fein / Vom Raucher von Bolwerkow.“ So singt sich Wittenberg für den Kirchentag im Mai warm. Herrlich. Liebe Freunde, es war und wird uns immer ein Fest im Irish Harp bleiben.


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