Rasch einen Bulbash (373)


Heute ist Tag der Unterwäsche, Tag des Senfs und Menschen mit Namen Förster, sofern sie zielstrebig zur Hofnacht nach Pirna fahren und die Lange Straße 36 heimsuchen, haben allesamt Geburtstag. Hätte Pratajev uns bloß einen diesen Anlass schmückenden Vers hinterlassen, The Russian Doctors würden heute zwei Geburtstagslieder spielen.

 

 

Hofnacht in Pirna! Das Superlativ des Jahres. Es ist wieder soweit. Noch scheint die Sonne über Sachsen, Fürst Fedja liefert Vodka aus, Makarios und Pichelstein sind bereits vor Ort. Im Kreise Ulf wird nach Sichtung des Regenradars besser mal eine Plane übers Anwesen gezogen. Beim Soundcheck dann die ersten Tropfen. Der Himmel verfinstert sich, daraus wird nur ein Schauer, mehr nicht. Pirna jubelt und die Elbe bleibt im Dampferbett. Der Schnaps für die weiteste Anreise geht heute nach Franken, knapp dahinter folgt die sich bereits im Zustand höchster Lebensfreude befindliche Pratajev-Fraktion Finsterwalde. Rasch einen Bulbash, so das Motto des heutigen Tages. Die Folgen sind am Ende als durchaus interessant zu werten. Vorweggenommen: Gitarrenunterricht bei Doctor Pichelstein hätte fast zu einem Sturz in die Tiefe geführt. Auch darf die ofenreiche Zuführung eines Brot-Wurst-Schinken-Konglomerates auf einem Wandbild mit gläsernem Rahmen nicht fehlen: Bereits auf 20 Minuten Backzeit, 220 Grad justiert, verschwand das Werk samt Bild im Bratschlund. Pichelstein konnte überzeugend einwirken, schaltete das Gerät ab und verwies auf noch vorrätige Soljanka.

 

 

Rasch noch zwei Fischbrötchen von der Meile. Nebenan werden Schlager von DJ Frank Fahrenheit feilgeboten. Voll ist der Hof, das Intro läuft, schon bald vermag der Abzug von Sonne und Wolken glasklare Sterne ans Firmament zu zaubern und der Pratajev-Aufschlag beginnt. Herrlich, von Frömmigkeit keine Spur wird dichtgedrängt gefeiert, mitgesungen. Schweißumflort rast Pichelstein auf der Gitarre durchs Programm und stellt neue Pirna-Rekorde auf. Makarios beflügelt das Publikum mit gepflegter Ansage, streichelt geflissentlich manche Seele und verleiht Pratajevs Weisen höchst wissenschaftliche Anstriche. Bis zur ersten Pause geht das so, noch rasch einen Bulbash.

 

24 Minuten später folgt der zweite Aufschlag mit dem „Lied vom guten Leben“ und als die Nettospielzeit bereits in die zweite Stunde reicht, platzt am Gitarrenferrari der dicke A-Reifen. Pichelstein taumelt in den letzten toten Katzenton hinein, ab der Herzratte muss das Back-up-Erlenholz ran. „Gar nicht so leicht, eine frisch besaitete dicke E- oder A-Seite unwillentlich zu zerstören“, sagen Fachmänner vom Feldrand über derlei besondere Vorkommnisse. Nun, irgendwann ist der Zugabenblock erreicht, führt eine letzte tosende Schnapsbar zur alten Erkenntnis. Sie lautet: Sind die Stimmen zersungen, pfeift’s aus allen Lungen, oh ja, mein Freund, dann ist der Abend gelungen.