Yeah, yeah, yeeeeeeaaaah: Doctors-Mania in Astra-City (375)

 

Verehrte Damen und Herren, treten Sie näher! Und seien Sie dabei, wenn THE RUSSIAN DOCTORS aus Leipzig die Texte des russischen Dichterfürsten Sergeij Waschowitsch Pratalinko, genannt PRATAJEV, besingen. Freuen Sie sich auf Veterinäre aus Murmansk und die harte Wirtin. Erfahren Sie mehr über den Schlips aus Lurch und tote Katzen im Wind. Doch seien Sie gewiss: Der Kuh geht’s gut. Lauschen Sie außerdem Hendrik Peeters, der Ihnen Geschichten über die Liebe zu Schaufensterpuppen und bunten Federn präsentiert, dazu einen kleinen Ritt durch die Räudigkeiten der Lyrikgeschichte (…)

 

 

So angekündigt beginnt er für die Doctors, der staureiche Autobahn-Stolperritt mit Zug zum Millerntor. Das Ziel der Reise befindet sich genau dort, wo vor kurzem eine Armee marodierender Uniformträger während des G20-Gipfels chinesische Lösungen anbot (Vergleiche: Platz des Himmlischen Friedens, Peking, 1989) und Schwalben an Bordsteinen erschreckte. Heute ist alles friedlich, der Grüne Jäger wird per gestrenger Navidame gefunden („Hast du das gehört? Die hat gerade ihre Stimme erhoben. RECHTS HALTEN hat sie gesagt. Aber in was für einem Ton!“), Fürst Fedja findet sogar einen Parkplatz. In Hamburg, St. Pauli. Das ist in der Natur der Sache ähnlich kompliziert wie in Berlin, Prenzlauer Berg - vorweggenommen klappt gar das nächtliche Umparken zur Unterkunft tadellos. Doch bis dahin gilt es, eine „Schoenegeisterschau“ auf Touren zu bringen. Ihren Ursprung fand sie vor Jahren in der Hauptstadt, nun, da ihr ehemaliger Duncker-Impresario Hendrik Hamburger ist, findet sie erstmals in Astra-City statt. Welche Ehre für die Erben Pratajevs; sie dürfen dabei sein und sich – erneut vorweggenommen – am nächsten Morgen wie die Beatles anno Herbst 1960 fühlen.

 

 

Herbst ist es ja bereits, die Sonne erleuchtet einen Mate-Hipster, der sich beim Doc Makarios eine Kippe schlaucht. Kürzer und kürzer werden die Tage, eine Steampunk-Lampe für zuhause kann sich nicht jeder leisten. Schon dunkelt es blau, bittet ein hellsichtiger Techniker zum Dienst. Doktor Pichelstein, kein heuriger Hase auf diesem Gebiet, baut die Bühne mit einem zufriedenen Astra-Seufzer auf. Soundcheck. Backstage unter Ballons. Schon steigt er auf, der Duft einkehrender Gäste. In ihren Blicken liegt Wärme, Neugier. Sie besetzen Stühle, der Grüne Jäger verschlingt sie. Vereinzelt bemüht man auf der Suche nach „Pratajev“ das Internet; kaum jemand scheint den größten bekannten aller unbekannten russischen Landdichter zu kennen. Veränderung! So ein schönes Dur-Wort mit Aufforderungscharakter. Gibt es das auch in Moll?

 

 

Impressario Hendrik eröffnet den Abend auf magische Weise, noch mehr Menschen strömen hinein, und den Doctoren obliegt es in den nächsten Staffeln, das Wirken Pratajevs in Hamburger Herzen einzupflanzen. Dort, wo es selbstredend gedeiht und zu hellwacher Verblüffung führt. Mittenmang bedient Hendrik die Ohren des Jäger-Volkes und lässt u.a. die Ostwestfalen zum Erdogan-Vergleich in Sachen „Ziegenficken“ antreten. Kurzum: Der Komiker Oliver Welke spricht schon war, wenn er sagt: Ostwestfalen sind da sehr tolerant, und tun sowas auch nur, wenn die Ziege damit einverstanden ist. Darauf im Fetisch-Block einen „Schlips aus Lurch“, viele liebe Lieder mehr. Und Astra, Bulbash dazu, Fürst Fedjas Bühnenlieferservice gerät, konträr zum Überbringer, nicht aus dem Gleichgewicht.

 

Nach der letzten Zugabe soll es reichen. Grillteller warten, zweifelsohne kühle Getränke, und bis weiche Matratzen Heimstatt werden, soll es noch dauern. Sicher ist nur eines: Der Freitagmorgen naht, mit ihm nahen auch gleich die ersten St. Pauli-Hamburger. Rauchend stehen die Doctoren vorm Haus und werden sogleich auf der Straße erkannt: Daumen hoch, super Show. Mehrfach geschieht’s, man möchte von einer neuen „Yeah, yeah, yeeeeeeaaaah-Gefühlskultur“, von einer Doctors-Mania sprechen.