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Am Tag als die Jodelkönigin starb (216)

 

„The Russian Doctors in Pratajevs Teehaus Protnik“ – welch eine historische Schlagzeile, doch nein. Wir sind im Leipziger Süden, in Connewitz, obwohl die Frau Krause schon stark den russischen Landen entgegen strebt. Vielleicht sind wir auch in Prag, in Žížkov, und nebenan saßen einst die russischen Offiziere vorm Wodka-Knobelbecher. Dies alles im wohlig-poetischen Sinne gemeint, denn wen es dann und wann gen Connewitz zieht, dem sei die Frau Krause in der Simildenstraße als unbedingtes Muss in den Wohlfühlnavigator hineingelegt. „Kaum fassbar, dass wir hier noch nie gespielt haben“, tuschelt ein Doktor dem anderen zu. Dann wird lecker gespeist, geraucht und auf Pratajev angestoßen. Die Bühne steht bereits und nach dem zweiten Becherovka liegt die harte Woche in Scherben. Freitag ist’s und das darf man gerne wörtlich nehmen. Prost, mein lieber Wirt, hier ist’s schön.

 

 

Vorweg genommen sei gesagt: Noch in der Nacht wird der liebe Gott die 90-Jährige Margot Hellwig aus Reit im Winkl zu sich rufen, Ehrenringträgerin ihrer bajuwarischen Heimat. Unvergessener Dirndlfrohsinn, Alpenglühen, Sex mit Florian Silbereisen und Psychopharmaka im Lackschuhversteck. Lasst uns eine Gedenkminute einlegen. Doch das geht ja gar nicht. Die Nachricht kommt erst morgen raus und geschichtsträchtig darf deshalb vermeldet werden: Als die Jodelkönig aller Deutschen starb, betrank sich ein feiernd‘ Volk in der prall gefüllten, dicht gedrängten Frau Krause und entließ zwei völlig erschöpfte Doktoren erst nach drei Stunden feinster Arbeit aus ihrem Pratajev-Set. In zwei Gruppen teilt sich besagtes Volk: in jene, die vorwiegend gelben Schnaps verkonsumieren und in jene, die den Rest der Getränkekarte kippen. Und natürlich ist da noch Baumfreund Ekmel, angereist aus der brandenburgischen Heimat Helga Bauers, heute mit einem leichten Hang zur Zurückhaltung versehen. Denn tags drauf, um neun, muss er auf die A9 und Freitag ist morgen leider nicht angesagt.

 

Nahezu furios jagen Makarios und Pichelstein die Feldmänner, Angler, Ratten, Biber, Katzen usw. durchs Haus. Ein erster, noch schüchterner Schnaps wird galant aus Richtung Merchtisch gereicht. „Aha“, denkt sich da der schwarze Tanzblock zur Linken, „So geht das also.“ Schon fließen die Tablettpinnchen mit dem Feuerwassser bühnenwärts. Zur Belohnung wird erstmals „Jeder Schluck“ in der tragischen Version gespielt. Mit waschechtem Aaaa,ahhh,aahh-Arrangement in den sonst so gitarrenlastigen Mittelteilen. Da bleibt keine Kehle, kein Auge trocken und später sind die Schnapsflaschen derart leer, dass nur noch Eierlikör die Bestände sichert. „Alle Schnapslieder nochmal“, wird verlangt. Gesagt, getan. Geburtstag hat dann auch noch wer und schwer werden die Beine, die Arme, so schwer, dass beide Doktoren gegen Ende des Abends nur mehr sitzen können. Auf Stühlen aus Holz, vor Knobelbechern, Pratajevs Werk verteidigend und wissbegierigen Studenten näher bringend. Der Vorstand der BSG Chemie steht Pate. Was für ein Abend, was für ein Morgen. Frau Krause macht’s möglich. Hoffentlich immer wieder.