Schlips aus Pferd und Senf am Sakko (281)


Tag 3 des Elbhangfestes, Tag 2 für die Russian Doctors. Die Regenmacher ließen sich derweil, beeindruckt vom gestrigen Feuerwachen-Spektakel, außer Landes jagen. Aufgeteilt in die Städte Dresden und Pirna nächtigten Pratajevs Erben, da insgesamt keine Unterkunft mehr aufzutreiben war. So streichelt Pichelstein den Mirko-Hund, wohl gelitten, satt gefrühstückt und weigert sich in jedem Fall den angereichten Tennisball, feucht wie ein Dutzend Biotope, in die Wallachei zu werfen. Bekanntermaßen führt solcherlei Tun in eine anstrengende Endlosschleife - mittags, nach einem vornächtlichen Doctors-Konzert, sollte der ach so überbewertete „Ausgleich“ (Jogger, Kampfradfahrer und Walker reden ja von nichts anderem) nie in sportlicher Betätigung münden. Vor allem dann nicht, wenn das nächste Konzert bereits in greifbare Nähe rückt. Und das ist gut so, darauf wird sich feste gefreut.

 

Bis der Pratajev-Tross die Grottenwirtschaft vollzählig erreicht, heißt es: unter brütender Sonne müssen Autos durch Menschenmengen jongliert werden. Diskussionen gibt’s, wie in jedem Jahr, an Straßensperren mit energischen Wachfrauen um korrekte Durchfahrtsgenehmigungen. Umwege tun sich auf, die selbst das ins Telefon eingebaute Navigationsgerät für zweifelhaft hält. Kurz vorm Ziel dann: eine halbe Stunde hinterm Notarztgefährt, hinterm Krankenwagen verharren (proppere Dame mit lustiger Hutkrempe: Wetterumschwung, Kreislauf, Schnaps, Schotterflechte), bis das erste Kaltgetränk erreicht ist, alle Hände geschüttelt sind. Herrlich ist’s, danke liebes Team Hendrik! Was für eine Freude.

 

 

Pünktlich um 15 Uhr geht’s los, liegen mit ordentlich viel Senf gekleisterte Sakkos hinter den Doctoren. Während mitunter vorne, an der Landstraße, die fröhliche Nachmittagsparty der Pratajev-Freunde unter ersten Jubelorgien für elbhangweite Furore sorgt. Für diverse Schnapsverkostungen ist's eindeutig noch zu früh; so fließt zunächst der Gerstensaft in Strömen, befeuert das Volk. Pferdekarren mit Menschen drauf schleppen sich vorbei. Und aus dem "Schlips aus Lurch" wird einer aus Pferd. Familie Biberowitsch stellt Handarbeit vor; der jüngste Spross wünscht sich sehr den "Löffel aus Holz" herbei. Da ist das Programm bereits im Zugabeblock, flugs ging's dort hinein. Doktor Pichelstein, aufgeheizt wie drei Elbedampfer, sorgte dafür - Weltrekord in Dresden! Endlich geknackt! Die schnellste "Harte Wirtin" seit drei Jahren. Einzig der zweite Löffel des heutigen Nachmittages wird zur Ballade, was am Merchstand, nach Konzertende, bei einem feschen Herrn gar sanfte Kritik auslöst. Doch die Idee: „Wenn ihr langsamer spielt, dauert das Konzert länger“, hm, die geht nicht auf. Nach den Doctors ist die nächste Combo angesagt.

 

By the way: Obschon man in Keimzeit-Geschwindigkeit sicherlich zehn Stunden ohne Pause durchspielen könnte. Wie dem auch sei: Die Löffelkinder Klein-Biberowitsch samt Klein-Frau-Doktor halten innen; mit großen Augen wird geschaut. Auf eine Welt, von der einst Pratajev erzählte. Die noch heute so wahr ist, als wäre sie allgegenwärtig. Wie es die Weise "Der Wanderer" am allerbesten zu beschreiben vermag: "So geht's uns gut, so kann es bleiben, man muss nur wissen, wie man's macht. Soll'n doch die anderen leiden und ärgern sich bis in die Nacht". In diesem Sinne bis zum nächsten Mal, werter Elbhang, liebe Menschen aus Nah und Fern. Im September kommen die Doctoren wieder. Zum Benefiz-Flut-Konzert in die Alte Feuerwache. Das muss sein. Die notleidenden Wirtsleute aus Miloproschenskoje gaben dazu bereits Ja-Worte.