Grand Prix de Charles Marx (293)


Ausgeruht bis maximal ausgeschlafen geht’s über den traditionellen Tankstellenstopp Borna-Eula gen Chemnitz, Ortsteil Flowerpower. Wir schreiben Donnerstag, den 3. April und es wird ernst. Nach den beiden letzten Kurzetappen (Prolog in Leipzig und Sprint in Halle), kommen nun gleich drei harte Tagesabschnitte auf das Fahrerfeld zu. Die Tour de Docteur, das Rennen um das goldene Schnapsglas, wird mit einem kräftigen Biss in die Bockwurst eröffnet. Gedopt mit Senf, Kaffee und Brausecola sausen die Erben Pratajevs im vom Fürst Fedja frisch geduschten Gefährt der Bayerischen Motorenwerke los. Das Etappenziel des Grand Prix de Charles Marx stets vor Augen, durch Sahara-Sandstürme und so manchen Feierabendverkehr glatt hindurch. Ein erster Stopp bietet sich beim Einchecken ins Mercure-Hotel an. Während die Herren Makarios und Fedja den Rezeptionösen fleißig Autogramme geben, bewundert Doctor Pichelstein ausgestellte Vitrinenkunst im Foyer. Besonders die handgeschnitzte Figur des „Chemnitzer Grütznickels“ hat es ihm angetan. Eine sogenannte „Säuferfigur“ mit Bierglas in Händen, welche kleinen Mädchen gerne zur Abschreckung in die Puppenstube gestellt wird. Geschnitzt selbstredend im Erzgebirge, doch zu erwähnen, dass dieser herrliche Landstrich gleich um die Ecke ist, schickt sich in Chemnitz nicht. Wie die weitreichende Tourerfahrung bisher dem Pichelstein lehrte.

 

 

Gleich um die Hotelecken und Kanten befindet sich praktischerweise das Flowerpower; so ist rasche Lippenbefeuchtung garantiert. Vom Chef Danny liebevoll umsorgt, hagelt es wenige Wimpernschläge später bereits Schnitzelteller. So muss es sein und man braucht ja auch eine gewisse Grundlage, um die Mühen der ersten Etappe bewerkstelligen zu können. Dann steht die Bühne im hellen Licht, der späte Mixmann aus dem Angelsächsischen fängt den Wurm und pegelt sich gekonnt durchs bereits kleckerweise eingetroffene Publikum hindurch. Die Etappenränder füllen sich, großes „Hallo“ auf allen Hängen. Die Kellnerinnen haben alle Hände, Füße und Fingernägel voll zu tun. In der Fachsprache der Kneiper würde man sagen: „Der Laden brummt.“ Und das soll er auch.

 

Doch noch sind Siegerzigarren fehl am Platz, werden den Doctors Getränke angetragen, ist das Fahrerlager gerne fern. Was folgt, ist das Feldmänner-Intro, sind warme Worte zum Geleit und schon gibt es kein Halten mehr. Makarios und Pichelstein legen sich ins berühmte „Zeug“, jagen Pratajevs Weisen über Serpentinen hinauf und bereits im ersten Konzertblock wird mehrfaches Sprintgold verliehen. Zur Belohnung gibt’s gelbe und weiße Schnapstrikotagen. Zeugwart Fürst Fedja hat diesbezüglich alles im Griff. Und als mit der „Heilung“ die erste Schnapsbar eingeläutet wird, schallt der Applaus mindestens bis ins Zittauer Gebirge. Der Kellnerinnen-Run setzt ein; erste Lösungen, wie man als Etappengast dem folgenden Arbeitstag begegnen wird, nämlich besser gar nicht, kursieren in schummerigen Runden. Das Ehrenmitglied der Pratajev-Gesellschaft „Der Veterinär“ plauscht mit Fürst Fedja über die Kunst der Schweinezucht. Anderenorts drückt man sich und ruft „Gefällt mir“.

 

 

Weiter geht’s im Geiste Tutukins, das Etappenziel schläft nie. Mit dem „Rotarmisten“, der „Harten Wirtin“, den Fetischbekenntnissen und Erkenntnissen, den pratajevschen Wegesrand-Erlebnissen bis hin zu den Tieren. Eine Herausforderung für den schnellsten Gitarristen der Welt ohne Frage, doch Katze, Ratte, Fettfrosch, Kuh und Biber (alles Bergetappen) schüttelt Pichelstein gewohnt rasend aus dem Ärmel. So, als wäre die gesamte Schlaghand ein einziges Plektrum aus Gummi. Doch wer den Berg bezwingen will, muss tief schlürfen, darf nicht vergessen zu trinken. Gedacht, getan, die Zielflagge dabei unmittelbar vor Augen. Auf der steht „Willkommen an der Schnapsbar“, gespielt jetzt in der Dark Doom Schlager-Version (DDS). Doch nein, Zugaben soll es geben. All den lieben Menschen im tosenden Pulk gelüstet es nach mehr. Und so kommt es, dass Makarios mit bereits dunkel-heiserer Stimme zum Wunschkonzert ruft. Noch wenige Meter, Zentis, Millis, dann ist die erste Tour-Challenge geschafft, der Grand Prix de Charles Marx gefahren und Sieger sind natürlich wer? The Russian Doctors mit einem verschmitzten Lächeln in der Spucke.