50 Shades of Schnaps-Schlips (315)


Mit dem Lächeln eines Holzpferdes im Gesicht beginnt der Samstag. Fürst Fedja und Doctor Pichelstein wurden bereits früh mittags hoheitliche Aufgaben übertragen. Der Weg führt durch mehrere Stadtteile, von Ost nach Mitte nach West und wieder zurück. Am Ort der heutigen Doctor-Spiele, dem Telegraph-Keller, mehrt sich der Tross um Naturtonmann Adrian. Motto: Früher Soundcheck fängt den Wurm. So wird geschleppt, gewuchtet und sich mehrfach die Frage gestellt: Wo sind die guten alten Roadies hin? In Zeiten des Mindestlohnes wird eben alles weniger. Nur der Spaß an der Vorfreude nicht. Gemütliche Stunden später ist das nächste Treffen angesetzt. Diesmal ist auch Doctor Makarios mit von der Partie, Pichelsteins Navigation versagt im Gebäude. Dank Handyortung wird der geschwächte Gitarrendoctor doch noch gefunden.

 

Die Vorbereitungen des abendlichen Geburtstagsevents, ausgerichtet unter Federführung des modernen Pratajev-Forschers Kristian Wilfridowitsch Siverski, laufen bereits auf Hochtouren. Jeder und jede ohne ärztliches Lungenschizophrenie-Attest bläst in Ballons, richtet Tische und Servietten. Des Doctor Makarios‘ zuckersüße Enkelin, angereist mit Daddy Vincent, staunt nicht schlecht, wird wohl versorgt, darf beim Soundcheck zuhören und ins Mikro sprechen. Montags in der Kita wird es einiges in der Raucherecke zu erzählen geben.

 

 

An der Bar wird Leipziger Industriebier für echte Arbeiter ausgeschenkt. Das hat was und befüllt die Richtigen. Man war ja schon recht umtriebig heute. Es folgt die Ankunft der Likör-Großerben Richard Bahners aus dem Thüringischen. Appetitanregende Kräuter, bitter, süß und extra-bitter ohne Zucker regnen in die Kehlen der doctoreken Tester herab. So lecker, da will man gleich mehr und stellt sich immer wieder in die Schlage der Verkostung. Wir sagen: Kirschberger Kräuter-Bitter! Mehr davon zu jeder Tag- und Nachtzeit. Nieder mit den Blähungen, dem Völlegefühl sei der Magenkampf angesagt. Es folgt ein höchst galanter, humoriger Foto-Vortrag eines unweit beheimateten Wolfsforschers mit der Erkenntnis: Die sind ja ganz schön possierlich, die Wölfe, aber im Vorgarten und auf der Dachterrasse möchte man doch lieber Schafe um sich haben. Beides geht nicht. Es sei denn, der dunkle Lord-Liedermacher Ludwig Hirsch setzt sich mit seiner Idee des vegetarischen Wolfes posthum doch noch durch.

 

Pratajev-Forscher und Gastgeber Siverski lenkt den Abend vor Speis und noch mehr Trank dann in eine ganz andere Richtung. „Biber am Amur“ lautet die demnächst im Haus aus Stein Nummer 8 zu bewundernde Eloge. Ins turbulente Frühjahr 1930 wird zurückgegriffen. Und wer über Pratajev doziert, weiß, was dem Dichter immer besonders gut gefiel: leckeres Essen. Das gibt es jetzt zu Hauf. Es dampfen die Silberbehälter, füllen sich Teller und Schüsseln. Man schmaust, hält sich die Bäuche. Die Bitter danach sorgen fürs Gleichgewicht.

 

 

Schon stehen die Doctoren dort, wo sie gerne vermutet werden. Nach dem Intro geleitet Doctor Makarios die Feldmänner ins idyllische Landleben. Eine Pause soll es beim Konzert nicht geben und langsam aber sich steigert sich der heutige Pratajev-Ausflug zum Diskant. Ein Großteil des Publikums kennt mindestens jeden Refrain. Die Damen schunkeln mitunter, die Herren fordern auf zum geistigen Tanze. Wieder tritt sie ein, die unter Psychologen so oft dozierte „selbsterfüllende Prophezeiung“: Wer sich die Doctors zum Feiern einlädt, der wird gefeiert, dem wird gehuldigt bis zur letzten Zugabe. Kuschelhormone setzen sich frei und ein letzter Bitter wird zur Bühne gereicht. Einzig zwei große Impfspritzen, gefüllt mit aromatischem Kirschwodka, bleiben unberührt und müssen anderntags verzehrt werden. Zum Abschluss wird der Live-Troika feat. Fürst Fedja je ein ansehnliches Likörfläschchen vermacht. In Doctor Pichelsteins Geschenketüte schlummert dazu sogar ein edler, schwarzer 50 Shades of Schnaps-Schlips. Da sagen wir frohlockend zum Abschied noch kurz: „Gefesselt gefällt sie mir am besten“.