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tour_tagebuch

01.11.2025 Zwickau/Projekt 46

Tabakovic. Ein Name wie ein Späti (495)

 

Leipzig-Schleußig, 16 Uhr, Abfahrt mit den erwartbaren Zwischenstopps Büro und Grünau-Bockwurst-Tanke. Noch immer ist kein goldener Oktober in Sicht, nicht mal im November. Die Temperaturen tasten sich zaghaft in den zweistelligen Bereich. Ein Lichtblick bleibt nach der Konzertpause: Herbstmüde geht es, erneut auf Einladung des Liederbuch e. V., gen Zwickau. Man of the MDR Info-Bundesligaspieltag ist heute eindeutig Gladbachs Haris Tabakovic, trifft doppelt gegen St. Pauli, immerfort röhrt es aus dem Radio: „Tabakovic am Ball, Tabakovic schießt!“ Ein Name wie ein Späti, der recht vertretbar ins Pratajev-Universum passen würde. Vielleicht als zwielichtiger Erbe einer Teezigaretten-Firma, der es ruchlos auf die Schürze von Helga Bauer abgesehen hat, dabei aber letzthin von Kriminalkommissar Pavlowitsch zur gerechten Strecke gebracht wird.  

 

Wir erinnern uns: Größter Produzent von Teezigaretten war zu Zeiten Pratajevs die Firma Berjolnik in Kolsnowo-Parputsk. Die Pratajev-Anekdote „Im Freibad“ setzte diesen, auch bei Kindern und wilden Verehrerinnen, äußerst begehrten Zigaretten ein ewiges Denkmal. In ihr heißt es, dass die mit grusinischem Tee gestopften Rauchopfer eine Spezialanfertigung für Pratajevs Gefolge gewesen seien. Um die betörende Wirkung rankt sich bis heute vermutlich der Ausdruck „Im Tee sein“. 

 

Höhe Borna wird das A72-Baustellengelände Richtung Bundesstraßenmatrix verlassen, schon öffnen sich die himmlischen Schleusen. Es regnet, es ist dunkel, im Tourgolf werden die Kippen bei offenen Fenstern nass, man möchte ankommen. Was, Navi sei Dank, auf verbotenen Pfaden, quer durch die Zwickauer Fußgängerzone, gelingt. Gastiert wird heute im Projekt 46, ansonsten eher Ausstellfläche, Begegnungsstätte, heute aber fest in der Hand des Lex Pratajev.  

 

Bild: Pi.doc  

 

Liederbuch-Maestro Andreas wird geherzt, Hände werden geschüttelt, die Backline zur Bühnenecke getragen. Eine Hürde bis zum ersten Kaltgetränk gibt es noch zu überspringen: Das Auto braucht einen Parkplatz, von dem es subito nicht abgeschleppt wird. Oh ja, die Toten Augen der Zwickauer Polizeibehörde (frei nach Edgar Wallace) kennen kein Erbarmen und zeigen bereits motorisierte Nepper-Präsenz. Und damit der auf dunklem Terrain durchaus zur Orientierungslosigkeit neigende Doc Pichelstein sich nicht bei der Abstellsuche bis nach Chemnitz verirrt, wird Geleit angeboten und dankbar angenommen. Zwanzig Minuten später ist die Mission beendet, parkt das Auto unweit der Katharinenkirche, in der einst Thomas Müntzer wirkte, bevor der alte Aufrührer 1521 aus Zwickau vertrieben und wenige Jahre später in der Schlacht bei Frankenhausen enthauptet wurde.

 

Vom Fußmarsch im Regen leicht derangiert, aufgepäppelt mit Kaltgetränken, folgt der Bühnenaufbau. Ein großes Lob an dieser Stelle dem Technikus. So, wie es die Docs mögen, wird’s gemacht: Schnell, gut und unkompliziert. Füllt sich langsam schon der Laden, da will man viele begrüßen, das Ehepaar Imker aus Pirna, die Rostock-Delegation (weiteste Anreise), viele mehr, man erkennt sie am passenden Gewand. Zuletzt gilt es, in aller Ruhe den Häppchenteller im Backstage zu plündern, dann begrüßt Andreas den vollbesetzten, bestuhlten Saal, die Klappe fällt mit „Schwermut im Herbst“. 

 

Bild: Freie Presse  

 

Pichelsteins Finger eilen durch die Stahlsaiten, mit artgeschulter Düsterstimme durchdringt Makarios die Leuchtkraft Pratajevs, jedes noch so kurze Liedchen steigert sich zum Diskant, wird beim letzten Akkord beklatscht, belacht, kurzum: laute Freude ist im Raum. All dies um heil zu bleiben. In einer Welt, die es oft genug nicht ist.

 

Mehr als eine Stunde dauert die erste musikalische Pratajev-Untermalung bis zum Pausenschnaps an der Kühlschrankbar, im Backstage. Viel geschah im ersten Set. Nachdem der Herbst kam, führte „Das Idyll“ zum Feuerwachturm von Miloproschenskoje, reiste mit dem Holzkarussell wodkabeladen über kulinarische Wonnen und kam schließlich im Fetisch-Block an.

 

Bild: Freie Presse  

 

Nach der Pause gilt: Fortsetzung des Programms mit dem Wind, der den Atem anhält, mit Pratajevs Gefolge. Alle wollen sie dabei sein, der „Gärtner“, der „Käferzähler“, „Der Satte“, das nach Schnaps stinkende Mütterchen usw. - wie eh und je bleibt „Der Faule“ zurück. Glücklicherweise hatte Pichelsteins Hauptgitarre bereits zuvor ihren Reifenplatzermoment (immer ist es die G-Saite), nun heißt es: gut gestimmt ist halb gewonnen. Den Rest erledigt das Publikum; es trägt die Docs durch den Abend wie der 7. Mann beim Eishockey und erhält beste Tote Katzen im Wind-Chornoten.    

 

Am Ende einer weiteren Spielstunde soll’s genug sein, die erste Schnapsbar zeugt davon. Doch weit gefehlt. Der finale Wunschblock wird lautstark eingefordert. Los geht es, das Zugabengewitter. „Löcher im Strumpf“, „Tasche“, „Der Raucher von Bolwerkow“ (samt akribischer Mitteltextzeilensuche), „Gelber Schnaps“ – bis die Gitarrenflügel des Pichelstein hängen, Makarios bereits auf einem zusammengebauten Kistensitz thront, nur noch „Geh heme meine Kleene“ geht, okay, gefolgt von einer dritten und letzten Schnapsbar im Walzertakt.

 

Danke, liebe Menschen! Platten werden signiert, Gruppen-Selfies geknipst, verlorene Flüssigkeiten infundiert, Pratajevs Werke an frischer Luft erörtert. Dann nichts wie ins Taxi, das am Hotel Merkur hält. Eine betagte, bald schließende Unterkunft mit allen Vorzügen. Es gibt sogar eine prall gefüllte Minibar des Vertrauens. Sehr selten in Zeiten wie diesen.

 

Bild: Freie Presse

 

 

30.08.2025 Kulturfabrik Lina Koch / Ebersbach-Neugersdorf

Tschechische Liebe ist Gulasch (494)

 

29 Stockwerke hat das Chemnitzer Congress Hotel, im 14. und 15. sind die Docs einquartiert. Damit niemand aus den Fenstern hüpft, lassen sie sich nur einen Spaltbreit öffnen, die Flurbalkone sind komplett verriegelt. Sprangen denn einst ohne derlei Maßnahmen viele Menschen nach unten? Reisten extra dafür an? Wurden berühmt für Chemnitzer Fensterstürze wie einst und mehrfach in Prag? In der bildhaft ausgestellten Lobby-Historiensammlung ist darüber nichts in Erfahrung zu bringen. Nun denn. Wer jedenfalls beim niederträchtigen Tabakverbrennen im Zimmer erwischt wird, zahlt 500 EUR Strafzoll, so die stahlharte Warnung. Also muss jedes Rauchopfer mit langen Fahrstuhlreisen begangen werden; erst am nächsten Morgen wird den Doctoren gewahr, dass es Nahe des Frühstücksrestaurants, in der 26. Etage, geheime Wege zu einem aschenbecherreichen Balkon gibt. Na wunderbar. Hier das Panorama: 

 

 

Gefrühstückt wird mitsamt des gestrigen Vorbereitungskomitees, mit Paschka Parlierowna und dem Veterinär. Es mundet bei bestem Service. Wer prima im Slalom ist, schafft es besonders kaprizierte Gäste am Buffet, an der Kaffeekuh-Maschine hinter sich zu lassen. Dann: Taschen packen, ins Auto damit. Pichelstein startet den Motor, rauf geht’s auf die Autobahn Richtung Dresden, Bautzen, zur Stauverhinderung teils durchs Land der (dämlicherweise freien) Sachsen. Fernziel ist das Lausitzer Bergland, im äußersten DDR-Zipfel verortet, genauer: die Kulturfabrik Lina Koch in Ebersbach-Neugersdorf. Nahziel sind ein paar Einkäufe in der tschechischen Nachbarschaft, vor allem aber ein leckeres Gulasch, wird doch der heutige Abend ein kulinarisch-veganer sein. Wer möchte das schon? Eben. 

 

Problem: Wer sich in der Gegend nicht auskennt, wird lange brauchen, um auf eine gute Gulasch-Lokation zu treffen. Kilometer um Kilometer durchfahren die Docs endlose Waldgebiete, erreichen Kleinstädte wie Jiříkov, Rumburk. Hineinfahren geht nicht, überall scheinen heute Feuerwehrfeste für Kinder und spätere Brandstifter zu sein. Ganze Straßenzüge sind deswegen gesperrt. Pichelstein schmollt, der Magen knurrt, Makarios verbreitet wie eh und immer Hoffnung. Vor jeder geschlossenen Spelunke, die nach und nach angesteuert wird. Denn ein Navi sagt einem nicht, warum eine Stätte wegen was auch immer geschlossen ist. Es stellt fest, dass geöffnet ist. Und irrt vorzüglich. Man hört es fast kichern. Dann! Oh Wunder! Makarios explodiert: „Fahr links ran, scharf rein, bremsen, mein Doctor!“ Rettung, ein Holzhaus, Schirmchen und Bänke stehen unter der Sonne, eine heilsbringende Kellnerin grinst übers gute Gesicht. Gulasch, tschechische Liebe, frisch gemachter Palatschinken mit Erdbeermarmelade an Sahne. Gerade zur finalen, rechten Zeit. Alles: "Wie Sie winschen". Mit dreifachem i.      

 

 

Herrlich satt, aufgefüllt mit Kippen, Getränken wird anschließend Quartier in der Pension Spreequelle in Neugersdorf bezogen. Die gestrenge Herbergsmutter begrüßt die Docs, weist auf das Schuhverbot im Umgebindehaus hin, führt anschließend (auf Socken) ins Doppelzimmer 2 und dann, wie schön, wird heftig mit dem Raucherareal plus Fernblick auf eine der nahen Spreequellen angegeben. 

 

Leichter Regen zieht auf, ein ferngrummelndes Wetterleuchten folgt, abwechselnd kommt wieder die Sonne durch. Zwischendurch ist es diesig, klingt schöner als bewölkt. Eine willkommene Abwechslung, mündend im knackigen Mittagsschlaf. 

 

 

Gegen 18 Uhr treffen die Docs am Open Air-Areal der Kulturfabrik ein. Die ehemalige Textil-Industriebrache an der Breitscheidt-Straße, geschichtlich auf Helene Lina Koch (als zeitweise Besitzerin) zurückzuführen, kulminierte in den letzten Jahren zu einem Kultur-Hotspot. Motto des heutigen Konzertes ist das seit gestern laufende Festival „50 Stunden“ – Musik – Feiern – Freude". Geladen sind neben den Docs noch Lizard Pool und zwei weitere Bands. Wie auch Gäste, die sich am Ende alle kennen werden. Hervorzuheben sind deutlich sechs Doctors-Getreue; Berlins Eademakow führt den Reigen an. Danke an dieser Stelle für die verkorkte, gebrannte Marille. 

 

 

Kaltgetränke fließen, Friends of Rosenthal beglücken in bester Razzia-Manier das Rund, Hunde bellen, als 2. Act dürfen – nach einem Line-Check - die Docs ran: Da hält der Wind den Atem an! Keine Kappe bleibt trocken, keine Katze am Baum, kurzum: Ein rasantes Stundenkonzert ufert im Zugabeblock aus. Und da niemand bis zur letzten Weise einen Wodka zur Bühne trägt, wird die finale Schnapsbar sehr traurig, bewegend, ja äußerst langmütig gezupft, gespielt, besungen.

 

Nass wie zwei Otter verlassen die Docs die Bühne, machen Platz für eine Emo-Grunge-artige Formation, deren rekordverdächtiger Soundcheck die nächsten Stunden prägen wird. Der sehr viel spätere Aufritt der Lizards wird den Docs erst auf dem Balkon der Pension Spreequelle feilgeboten. So gegen Mitternacht beim A-Ton-Geschepper einer imaginären Kuhglocke. 

 

 

Fotodank: Paschka P., Vince 

    

  1. 29.08.2025 Chemnitz / Bar:kombinat
  2. 02.08.2025 Hofnacht Pirna/Uniwerk
  3. 29.06.2025 Elbhangfest/Grottenwirtschaft
  4. 28.06.2025 Bad Lausick, OT Lauterbach/Privat im Dorfgemeinschaftshaus

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