Hot Ferkel hat frei (357)
Szene & Auftritt Fürst Fedja, Doctor Pichelstein: Beginn einer Unterhaltung am Tourauto, abgestellt in der Merseburger. Pichelstein raucht. Fedja sucht (immer irgendwas).
Kameraschwenk in ein Büro der obersten Etage, in dem sogenanntes „Kreatives Chaos“ vorherrscht, Kamera fängt Bulbash-Flaschen ein, Tippgeräusche auf einer PC-Tastatur. Doctor Makarios beantwortet eine Konzertanfrage, liest laut vor:
„Ja, es stimmt, dass im Tourkalender noch einige Tage freigehalten werden, aber auch die Doctors müssen mal freigehalten werden“.
Schwenk durchs offene Fenster nach draußen, Close-up: Ein Hotdog fällt zu Boden und stirbt in einer Senflache. Straßenlärm wummert die Karl-Heine auf und ab.
Schwenk, langsam, 45 Grad gen Ost: ein altes Mädchen fährt einen Kinderwagen spazieren. Aus dem Wagen ragen Bierflaschen. Es grüßt, Fedja kramt in seinen Taschen, grüßt zurück, man kennt sich. Pichelstein raucht.
Stimme aus dem Off: Ganz bald steigen die Helloweenparties. Auf Leipziger Straßenmöblierungen wird ein sich damit schmückender Nachtclub beworben. Freizügig präsentieren drei Damen kinoeske Herrenwelten. Dirty Cindy hat Dienst. Nasty Kitty und Bad Barby, zwei People of Color.
Zwischenszene, bevor sich Fedja und Pichelstein unterhalten: Verzweifelt versuchen zwei junge Mädchen mit Hannover-Dialekt (also Null-Dialekt) in die Pension des NBL zu gelangen. Eines schreit in ein mit Spongebobs verklebtes Smartphone, eines saugt hastig an einer Dose Red Bull.
Dialog der beiden Mädchen:
1: „Warum tust du das?“
2: „Im Forum von The Better Berlin stand: In Leipzig ist Red Bull total tricky-in. OMG!"
3-Sekunden-Einspieler: „Nur ein Leutzscher…“ & „Das kann doch einen Lok-Fan nicht erschüttern…“
Blende, Dialog Fedja, Pichelstein, zwischendrin: erstauntes Nicken der Probanden.
F: „Wie, People of Color?“
P: „PoC ist die brandfrisch politisch korrekte Bezeichnung für Mensch***Innen aller Hautfarb***Innen und Stern***Innen in vielen Wörtern... das mal ich dir gleich mal auf... symbolisier***Innen, so wurde es unweit der letzten Campus-Demo, Motto: +++ Kant war kein Aufklärer, Kant war ein Faschist +++ erörtert, das drittmögliche Geschlecht. Keines darf unterdrückt, verschwiegen werden. Es könnte sich ja etwa bei Bad Barby… sicher weiß das keiner…. um Mann, um Frau oder um eine Transitionierende, resp. Nichtbinärin handeln. „Transgender“ darf indes nicht gesagt werden, das ist schon wieder total kantig, resp. faschistisch.“
F:„Und Hot Ferkel? Was ist mit der?“
P:„Die hat Uni und Helloween frei“.
F:„Aha.“
P„Dann lass uns mal nach Chemnitz fahren“.
F„Geht nicht, ich hab das Navi zuhause vergessen“.
Abgang Fürst Fedja, Doctor Pichelstein. Doctor Makarios erscheint im Bild, brummt: „Ich hab Hunger“.
Szenenapplaus, Ende des Vorspiels.
Wenig später zischt der VW-Dieselskandal Richtung Chemnitz. Richtig, VW. Die Schmette BMW darf heute zuhause bleiben und Moos ansetzen. Pichelstein wurde zum Fahren verdonnert und Fürst Fedja ringt mit dem Zerquetschungstode auf der Rückbank. Damit es dort nicht langweilig wird, beginnt von nun an ein zweitägiges Spektakel. Es trägt den polarisierenden Titel: „Mein Handyakku ist alle“ und jedweder Versuch diesem leidvollen Sujet Einhalt zu gebieten scheitert. Nun ja, ob ein Satz wie dieser aus der Makarios-Feder: „Wirf es einfach aus dem Fenster“ lösungsorientiert ist, hm, das sei dahingestellt.
Im Flowpo wird ausgeladen, Chef Danny kredenzt Kaffee und belgisches Bier mit dem Rat, davon lieber nicht so viel zu schnell zu trinken. 6,6 Umdrehungen sind auf halbleerem Magen kein Pappenstiel. Aber das Gebräu, ja, es schmeckt sehr lecker. Beste Voraussetzungen zum Bühnenaufbau, zum Hotel-Check-in. Wie immer an diesem mittlerweile auch schon legendären Spielort der Russian Doctors klappt in der Folge alles. Der Soundcheck gehört in die Galerie, die Schnitzelteller gehen weg wie warme Semmeln. Aber weil das mit den „Semmeln“ so altbacken ist, könnte es auch heißen: Die Schnitzelteller gehen weg wie die Downloadsingle „Helene Fischer singt im Duett mit Elvis: Hot Ferkel, Love Me Tender“.

Mit dem letzten Haps wird’s schon voll im Rund. Hallihallo, wow, Karl-Marx-Stadt hat sich rausgeputzt und alle, die man sehen wollte, sind auch da. Gut, es fehlen welche. Da gibt es immer Gründe. Schließlich ist Donnerstag und morgen Freitag und dann Samstag, ach was noch alles. Neu in der Garde der Enthusiasten ist ein waschechter Friedhofsmusikant, der sich gleich als solcher vorstellt. Um zwei Dinge vorwegzunehmen: Ja, natürlich ersteht der noch die Prumskibeat-Platte „Orchester des Todes“ und, wie Chefwirt Danny berichtet: „Jetzt sind schon 200 Prozent mehr Gäste da als beim letzten Konzert“.

Keine schwere Hypothek für die Erben Pratajevs! Los geht’s, das Volk säuft, das Intro läuft, „Wodka Wodka“ mengt sich der Szene bei und dann hat er sie, der Doctor Makarios. All die lieben Tierärzte, Schwestern, Schülerinnen, Gärtner, Musikanten, Pfleger, Arzthelferinnen, auch die derzeit neugierig nach irgendwas im Leben Suchenden, die Studenten, Lehrer, Professoren, die frechen Kellnerinnen, die Fetischliebenden, die schwierigen Seelen mit trunkenen Kehlen, die Sonderbaren, die Lauten, die Leisen, die perfekt Filmenden uvm. Und während auf der Bühne der Herzschlag des Glücks und der Zuversicht unweigerlich pocht, Doctor Pichelstein aus „Beim Bücken“ ein „Ti Amo“ zaubert, über den Pausenbreak hinaus, der Rotarmist im Keller ist, Fürst Fedja prostet, während all dies geschieht, bleibt ein Lied. Ein letztes Lied und es handelt von den Lappalien der Leidenschaft, ausgelebt na wo? Genau. An der Schnapsbar, denn alle müssten raus an die (…)
