Von der Larve bis zum Schmetterling (424)

 

Schwitzen. Die Luft steht, kein Windhauch nirgends, 30 Grad. Ein heißer Sommertag dringt durch alle Poren, drückend und schwül. Erschöpft klingt der Chor der Spatzen in den Höfen, Katzen, Waschbären, Hunde und Igel sehnen sich nach Sonnenuntergang und Blauer Stunde. Gleichermaßen gilt das heute für die Riege der etwa 50 Gäste, die Fürst Fedjas Einladung zum runden Geburtstag in den Plagwitzer Güterbahnhof folgen. Zwei musikalische Leckerbissen fahren sich darunter selbst auf: Die Art und The Russian Doctors. Letztere einzig mit dem Punkprogramm, was derzeit nur 30 Minuten lang ist. Ein Vorteil bei der flirrenden Hitze, ganz klar, denn die staut sich beim Eintreffen zum Soundcheck vom Boden bis zur Decke. Da kapituliert selbst der Großkühlschrank und jedes Mal, wenn ein Bierfass alle ist, muss wer ein neues von weit her aus kühlen Mauern besorgen.

 

 

 

Auftanken. Flüssignahrung ist gefragt, der Gastgeber hat reichlich davon aufgetischt. Das Hawaii-Hemd sitzt knitterfrei und prächtig, Strahlemann und Söhne lassen grüßen. Herrlich ist es außerdem liebe Menschen wiederzutreffen. Das böse Wort mit C verhindert doch so einiges und vor allen Dingen viel lasterhaftes. Doch hinfort mit euch, ihr kruden Gedanken. Die Fässer angestochen! Die Flaschen aufgedreht! Die Männer und Frauen hier sind durstig! Merkt euch den heutigen Tag, heute ist das Leben schön! … so würde J.R.R. Tolkien die Sache betrachten.

 

Schauen. Auftritt der Ruhestifter. Eine Powerpoint-Präsentation wird zum Fürst Fedja-Leben erweckt. Nicht eingeblendeter Titel: "Von der Larve bis zum Schmetterling." Noch ehe Steaks, Melonen, Gurken, Würste geerntet werden, untermalt süße Kurtisanen-Musik ein treffsicheres Portfolio erlesener Momentaufnahmen. 50 Jahre Fürst Fedja, Frank „The Tank“ und wie man ihn auch immer nennt und nannte. Die Zeit wird zurückgedreht, sie endet im Hier und Jetzt. Gut so, damit gar nicht zimperlich sein. Denn große Brocken unserer Gestörtheit bestehen ja daraus, dass wir so denken und leben, als sei das Morgen wichtiger als das Heute.       

 


 

Pusten. Heimlich wurde unterdessen die Geburtstagstorte mit 50 Kerzen unter Feuer gesetzt. Jetzt wird sie von zwei Grid-Girls mit gewichtiger Miene Richtung FraFö getragen. Die Damen blicken überlegen und durstig, im Wind flattert schöner Stoff. Doch der Wind ist kein echter, wird künstlich erzeugt. Kommt man ihm näher, bläst er doller, der Ventilator - zack sind alle Kerzen aus. Nein, so war das nicht gedacht. Jeder, der ein Feuerzeug in der Tasche hat, muss ran. Rasch wird die Chose behoben und Fürst „Iron Lung“ Fedja pustet 50 Lichter aus. Liebe Feuerwehren, wenn in Brandenburg wieder mal Wälder brennen, meldet Euch beim Wodkabaron.

 

Punk-Rocken. Plötzlich geht’s auf die Bühne. Doc Apollo Muffler schwingt sich hinters Schlagwerk, Doc Makarios begrüßt das ausgehungerte Livemusik-Volk. Doc Pichelstein fühlt sich, als hätte er versehentlich, wie damals in Pirna, einen Keks „mit was drin“ gegessen (Schwäche durch zu viel Flüssigzufuhr? Faustischer Pakt mit dem Bierfass?). Jeder Sidestep unter den zusätzlich heißmachenden Scheinwerfern löst schwitzigen, salzigen Regen aus und zack landet er für wenige Augenblicke im völlig falschen Lied. Fällt bloß keinem auf und als die erste Rumpf-Strophe dran ist, läuft’s prächtig.

 

Freude. Die hitzegeplagte Gästeschaar nickt anfangs aufmerksam wie wackere Origamilehrer es in Volkshochschulen tun, dann brechen alle Dämme. Der Stanz tanzt, das Hack brutzelt und am Ende lacht wie immer der Gärtner. Aus und keine Zugaben, nein, der Doc Makarios muss subito federnden Schrittes noch einmal ran. Die Art sind jetzt das Objekt der Begierde und bringen den Güterbahnhof mit schlafwandlerischer Sicherheit zum Beben. Ein Schiff geht schließlich auf die Reise, dann: Aus und keine Zugaben, nein, man will lebendig bleiben und vom Sausen, vom Brausen noch etwas haben.

 

 

 

Outro. Lieber Fürst Fedja, danke für die heißeste Nacht dieses Jahres. Frank "The Tank", FraFö, ohne Zweifel, ohne es mit Ironie zu durchweben - so ist er nach amerikanischer Definition auch ein Frank „The G.O.A.T.“ (Greatest of all time). Das musste bei einer großkalibrigen Zigarre mal gesagt werden.