Herrliche Gartenarbeit (425)

 

Zeesen ist ein wassernaher Ortsteil Königs Wusterhausens im Landkreis Dahme-Spreewald, verortet im Berliner Speckgürtel. Wer es schön haben und von der Großstadt nicht komplett lassen kann, wohne genau hier. Mittlerweile sind die Grundstückspreise, getreu der boomenden Nachfrage, allerdings ins Unermessliche gestiegen. Wohl dem, der bereits seit Jahren hier lebt, der aus einer kleinen Datscha ein wunderschönes Haus mit Garten und umlaufender Terrasse zauberte. Der hat es gut und jeder Gast staunt. Ist auch manch jüngst zugezogener Nachbarmann früh am Abend übel gelaunt, wenn mehr als eine Grille zirpt oder ein Specht hämmert. Dann wird grimmig losgeschlappt, der Geräuschquelle auf den Grund gegangen und Zeter und Mordio geschrien. Weniger gleich vor Ort, mehr noch per Durchsage beim Ordnungsamt. Dagegen ist ein Kraut gewachsen: Im Geheimen lohnt es sich, Bekannte in Telefonzentralen zu wissen, die coole Sätze wie: „Die Veranstaltung ist genehmigt“ murmeln und somit erst einmal Ruhe in der Leitung ist.    

 

Hier, in Zeesen, werden die Docs heute ein pratajevsches Klanggewitter zelebrieren. Ein Segen in dieser schweren Corona-Zeit. Bei rund 30 Grad, was bereits auf der stauumfahrenden Anreise über Land (mit Schlusskilometern auf der A 13) den Entschluss zementiert, erneut, und zwar zum rekordverdächtigen dritten Mal hintereinander, in Kurzhosen aufzutreten. Das hat es in der langen Doctors-Geschichte noch nie gegeben.

 

 

 

Apropos „stauumfahrende Anreise über Land“: Der Glaube daran, dass Wörter wie „Dorfschönheit“ kürzlich aus dem Duden verbannt wurden, weil es keine Dorfschönheiten mehr geben soll, ist zumindest hinter Herzberg nicht von der Hand zu weisen. Am holprigen Wegesrand sah man lediglich gebückte Mütterchen mit Margot-Honecker-Farbfilm-Frisuren. Die Dorfschönheiten schienen allesamt in die nächste Große Kreisstadt verzogen zu sein. „Dorfmütterchen“ darf ergo getrost weiterhin Teil des Dudens bleiben.

 

Honoré de Balzac kritzelte einst auf schnapslastiges Tischpapier: „Man lebt zweimal: das erste Mal in der Realität, das zweite Mal in der Erinnerung.“ Grund genug, einigermaßen akribisch Tourtagebuch zu führen und so soll diese Erinnerung als herrliche Gartenarbeit immer im Gedächtnis bleiben.  

 

Rüdiger ist das Geburtstagskind, ein 50. Ehrentag wird begangen, und man möge sich noch bis in alle Ewigkeit sagen: er strahlte vor Freude. Ausgerichtet wird die Party samt Privatkonzert von Conny, Dani und Veronika - und um es gleich vorwegzunehmen: Fürst Fedja zählt heute einmal mehr nicht zum Pratajev-Tross. Leider. Der künftige Barbesitzer steckt weiterhin bis über alle Ohren in Arbeit und darf auf keinen Fall unplanmäßig verunfallen. Dieser Job wird später Connys Göttergatten (beim doppelten Gleisbett-Rittberger mit Notaufnahme-Touch in der Kür) übergeholfen. Wir hoffen, dass alles Wichtige heil geblieben ist. Gute Besserung an dieser Stelle. Am mitgebrachten Bulbash wird es kaum gelegen haben.    

 

   

 

Nach einer Welle von Kaltgetränken, leckerem vom Buffet nebst göttlicher Grill-Ernte spielen die Docs ein erstes Set und tatsächlich taucht nach wenigen Minuten einer dieser neuen Nachbarn auf. Keiner hat ihn je zuvor gesehen. Ein Schwabe mit übertriebenem Ego mitten in Zeesen? Möglich wäre es. Die Docs ficht das nicht weiter an, das Set spielt sich wie von selbst.

 

Je dunkler es wird, desto mehr Jubel brandet auf. Makarios und Pichelstein musizieren sich in einen glücklichen Rausch und grinsen derweil. Pratajevs Lieder und Texte werden auf anekdotische wie nostalgische Weise in den grün-rot-lila angestrahlten Himmel gebeamt. Auf der schnellsten Akustikgitarre der Welt vermählen sich Akkorde zu tanzbaren Hits, was nach der Pause nur noch schöner anzusehen und zu hören ist. Ein Chor der Toten Katzen brandet auf und schließt nach dem Ratten-Reigen. Die letzten Lieder werden als Pianissimo-Zugaben dargeboten, doch wer dachte, das war es mit der Livemusik, wird getäuscht.

 

 

In den frühen Morgenstunden kramt Pichelstein die Gitarre am „Tisch der Letzten“ noch einmal aus dem Koffer. Gestählt durch eine unwirklich perfekte Hals- und Rückenmassage gibt es Goldeck und Die Art auf die Ohren. Verwackelt, verschroben und mittenmang mit einem Gläschen in der Hand. Bis das letzte Fünkchen Fitness tatsächlich aufgebraucht ist und ein Billardzimmer kuschelige Heimstatt wird. Danke, danke, danke!    

 

 
 

Fotos 1 & 3: Veronika