Kleines Senfkorn Hoffnung (432)

 

Die Russischen Doctoren werden es mit der Wahrheit „Mehr als einmal in Königs Wusterhausen-Zeesen gespielt“ ins Lexikon der Rockmusik (Daten, Fakten, Hintergründe) schaffen. Heute, nach 210 Kilometern zäher Landpartie plus Sahnehaube Nadelöhr A13, darf sich das Dani-Spektakulum des letzten Jahres wiederholen.

 

Auf zu Hardcore-Bierbechern und lieben Menschen, auf zu amüsanten Dingen. Wettertief Nick schickt zwar den Sommer vorübergehend in die Werkstatt (macht komische Geräusche und leckt fürchterlich), aber der Regen schafft es nicht bis in den Südosten Brandenburgs hinein und bleibt irgendwo hinterm Herzberger Schlagerfestival oder im Nuthe-Urstromtal wie ein Querdenker-Biberbau im Kopf hängen (Hirnströme schief). By the way: Nach Wetterfühligkeit des verhinderten Tourmanagers Frank The Tank befinden wir uns bereits im tiefsten Winter. Denn: fliegt der Mauersegler herbei, ist der Sommer Rührei. Ist er wieder weg, gibt’s nur noch Winterspeck und Schnee und scheußlichen Tee.    

 

Die Anreise ist so interessant wie Entenscheiße an Nacktschnecke. Beschilderte Höhepunkte: „Haiko’s Fahrschule“ (Deppenapostroph, okay, aber Haiko von Hai? Ist das nicht der Mann von Mundhaar Monika?), „Rollrasenproduktionsanlage“ und „Umleitungen“. Bundesstraßen werden zu Hoppel-K-Pisten, die stante pede heftigen Harndrang verursachen. Ja, in den tiefsten Einöden Brandenburgs (Ein Wald! Ein See! Ein Wald!) ist Förstermobilität wichtig. SUVs, die Arschgeweihe der Städter, wurden genau für diese Hindukusch-ähnlichen Straßenverhältnisse konzipiert.

 

 

 

Wie sprach schon Pratajev in einer noch weitestgehend unentdeckten Philosophenphase? „Es ist sehr leicht, sich das Leben schwer zu machen.“ Ein Satz, der glücklicherweise heute nicht in Zeesen gilt. Denn gleich nach Ankunft werden Biererketten gebildet, sprudeln die Wässerchen an der Schnapsbar, werden fesche Wespenkörper am leckeren Buffet fündig (und tauchen als Hummeln spätestens am Grill wieder auf). Lidstriche sitzen, alle Augen leuchten heller, als bereits der Soundcheck der Docs zu einer Wodka-Daueraffäre animiert. Bald schon ist der ehedem sonnengeküsste Garten alles andere als eine Personenvereinzelungsanlage und die Pratajev-Fraktion Birkholz hat frisch abgehangenen Schinken aus eigener Produktion dabei.

 

Damit gegen 23 Uhr kein zugezogener, ekelhaft reicher Neu-Nachbar Pratajevs Philosophensatz über Gebühr strapaziert, startet das Konzert bereits früh und nimmt rasante Fahrt mit melancholischen Schlenkern („Die Zarte“, „Fürchte dich nicht vor der Flasche“) auf. Beseelt vom fröhlichen Rund gewährt Makarios all jenen Songs Vorfahrt, die Pichelsteins Gitarre glühen lassen. Bis der Garten fürs Erste kurz und klein gespielt ist.

 

 

 

Pause. Neue Kraft tanken, Becher füllen, Stimmen ölen. Weiter geht’s über Tote-Katzen-Chöre schließlich in den rettenden Hafen der Zugaben hinein - und so endet das Gastspiel nach drei glücklichen Stunden auf dem Terrassenbühnenboden sitzend, eine letzte, balladeske Schnapsbar spielend. Doch damit dann doch nicht genug.

 

Wie spät (oder früh) es schon ist, als im letzten Kreis der Lieben noch einmal eine massageöl- und schweißbenetzte Gitarre entkoffert wird, weiß niemand mehr. Auch nicht, warum nach der „Samtmarie“, nach „Wide Wide World“ ausgerechnet der friedensbewegte Schlüpferstürmer „Kleines Senfkorn Hoffnung“ angestimmt wird.

 

 

 

Fotos: Schwester Veronika