Schluss mit dem Apokalypse-Bingo (448)

 

Woche aus, Konzertwochenende an. Tragödien dieser Welt aus, weil Radio aus. Vortrefflich! Schluss mit dem Apokalypse-Bingo, mit Vera am Mittag anno 1999. So düsen die Docs Richtung Meißen und freuen sich über staufreie Autobahnen bei bestem Fahrwetter ohne Nachmittagshitze. Da fruchtet die alte Serienkilleranmache „Hallo … ich hab eine wunderhübsche Kühltruhe im Keller“ bei fluffigen 20 Grad Celsius nicht. Heute ist jeder Wunsch mit den Wolken - doch glaubt man gewieften Wetterinären, steigen die Temperaturen bereits Mitte nächster Woche wieder. Na gut, da sind wir schon wieder beim Apokalypse-Bingo angekommen.

 

Gegen Ende der Anreise rangiert Pichelstein den Tourgolf durch die einst mätressenverschlingende Porzellanstadt, Makarios liegt auf therapeutischer Basis (Akzeptanz!) mit der Navi-Dame im Klinsch. Bis der Sachsenkeller in Sichtweite ist und man direkt zu Füßen des Onkel Jörg abzubremsen vermag.

 

Onkel Jörg! Oder nur: Onkel. Meißens Kulturinstitution. Dass es der Sachsenkeller überhaupt durch eingefrorene Corona-Dekaden schaffte, ist fast allein ihm zu verdanken. Trotz aller Steine, die die Förderpolitik anfangs in den Weg rammte. Beim Ohne-Barista-Verzier-Kaffeebechertalk darüber sind schlecht fliegende Junikäfer im Juli zu beobachten. Sie landen rücklings und werden gnädig zum nächstliegenden Zucchini-Beet getragen.

 

 

 

Soundcheck. Einer, der wie eiskalte Butter längerfristig aufs Brot geschmiert wird. Potis und Fader kratzen, Schalter knacken, Boxen knallen, das sich noch im Coronatiefschlaf befindliche Mischpult möchte in die Waschanlage. Zu viel Staub und jede Menge Nebengeräusche. Doch der Onkel wäre nicht der Onkel, wenn er das nicht hinbekäme. Gesagt, getan, gelungen. Pichelstein kehrt noch rasch den inneren Monk raus und sortiert alle Bühnen-Kabellagen neu. Darauf ein sehr leckeres Kaltgetränk. Langsam füllt sich der Keller. 

 

Pratajevs Kohorten aus Großenhain, Dresden, Leipzig, Meißen (natürlich) tummeln sich; der Sachsenkeller darf heute eindeutig zum Sylt des Ostens stilisiert werden. Kapellmeister Makarios hat bereits jetzt am Merchstand eine Menge zu tun. Fast hätten die Docs die berüchtigten beiden Tour-Zeitformen des Futterns (Entweder essen oder schon wieder Hunger haben) vernachlässigt. Drum: rasch ein wenig Bockwurstkulinarik, noch einmal mit Kaltgetränken an die frische Luft, schon schallt das Intro von der Höh‘ – Hollaröhdulliöh.

 

 

 

Am 13. März 2020 spielten die Docs zuletzt hier. Es war die Zeit knapp vor der Corona-Apokalypse. In der Nacht schloss die Tschechische Republik alle Grenzen. Im Sachsenkeller traf sich zum letzten wilden Konzert ein überschaubarer, ausgehbeschränkter Kreis. Heute ist alles anders. Der Katzen-Pogo startet bereits nach „An ihrem Garten,“ kulminiert erstmals beim „Löffel aus Holz“ und alles tanzt aus der Reihe. Einträchtig bewundern die Docs die Situation und legen noch ein paar Briketts bis zur ersten Schnapsbar-Pause drauf.

 

Wie gut, dass es Bulbash gibt. Pichelstein tunkt in der Ecke ausruhend pulsierende Stahlsaiten-Finger hinein. Menschen, aus denen der Zapfhahn spricht, klopfen ihm auf die nassen Schultern. Ansporn genug für Runde zwei. Makarios leitet sie mit der „Harten Wirtin“ ein und der nächste Schnellgitarren-Weltrekord fällt. Der Rest des Konzertes darf sich - über alle Zugaben hinaus - getrost „wodkabecherschwer belohnte, schweißtreibende Glücksplackerei“ nennen.    

 

 

 

Paschka Parlierowna wird zum Schluss ein Ehrenpreis in Pratajevs Geiste verliehen. Ist sie es doch, die die Docs samt Herbergsvater im recht kuscheligen Auto auf dem Pensionsgelände abliefert. Glücklicherweise! Denn in Meißen sind zu nachtschlafender Stunde nur sehr wenige Taxifahrer unterwegs. Danke dafür und danke liebe Sachsenkellergemeinde.  

 

Bilder: Paschka Parlierowna