Das wilde Körnchen (247)


Draußen klirrt’s Wintermärchen in der Uraufführung 2012; Doktor Makarios kann die damit einhergehenden Temperaturen überhaupt nicht leiden - nahezu frisch bis vulkanig aus mediterranen Eilanden heimgekehrt. Doktor Pichelstein beschwert sich bitterlich über eingefrorene Wischwasserschläuche. Doch immerhin verteilt die Heizung im Bus Liebeserklärungen an seine tourenden Insassen.

 

Einmal mehr geht’s heute ins Brandenburgische, nach Velten. Bei minus 15 Grad, Tendenz fallend. Ein zementiertes Russlandhoch, dunkelblau auf der Wetterkarte, trägt eisige Schuld dafür. Ein ums andere Mal werden Rastplätze angesteuert; die Frontscheibe verliert mehr und mehr an Durchsicht, knapp hinterm Berliner Ring gefriert die Fahrbahn. So rutscht man weiter durch bis nach Velten. Endlich. Ab in die Wärme hinein, in Mic’s Bar. Kaum am Tresen angekommen, werden erste Getränke feilgeboten. „Und wenn Ihr Hunger habt – Ich hab da mal ein Buffet aufgebaut“. Wanderer, was willst du mehr?

 

Nach Hotelein- und Soundcheck treffen die Abordnungen von Concordia Teschendorf bis Krumme Rute ein. Baumfreund Ekmel gab im Vorfeld alles, um die halbe Gegend in die Bar zu locken, warf sich (der Legende nach) höchst selbst vor in die Ferien fahrende Anglerautos. Krankenscheine werden telefonisch eingereicht; man hofft umso mehr auf den Zuspruch bisher nur teilbedarfter Pratajev-Freunde - und braucht in der Pause, nach dem ersten Konzertblock, nicht lange danach zu suchen.

 

 

Im Raucherfoyer hagelt’s erste Gastkritik: „Nee, die Texte sind mir zu hart“, sagt eine, die es wissen muss. „Es kommen noch weichere“, entgegnet Makarios dem älteren Semester. Dann ist es da, das wilde Körnchen, tanzt sich beschwingt heran. „Hart muss es sein!“ ruft es dem verdutzten Makarios auf dem Rückweg zur Bühne hinterher. Nicht ohne vorher noch Visitenkarten zu verteilen.

 

Begann das Konzert aus aktuellem Anlass mit Pratajevs Lied über die Gefrierkatastrophe von Bolwerkow, „Als das Eis kam“, geht’s nunmehr weiter mit schlimmen, weichen Tierliedern. Das wilde Körnchen samt Geburtstagsbelegschaft treibt im Hintergrund dazu ihr Feinwesen. Vorn stellt Krumme Rute die textsichere Übermacht, Concordia Teschendorf sitzt derweil im Leder. Baumfreund Ekmel sorgt bis über den letzten Zugabeblock hinaus dafür, dass die Doctors nicht dürsten. Auf die Bühne gereicht werden in gehaltvollen Abständen tschechische Süßschnäpse, die genauso aussehen wie ein brennender Slibowitz. Lecker und klebrig. Doktor Pichelsteins Plektrums verlieren sich des Öfteren darin.

 

Dann ist Schluss, aber nicht mit lustig. Körnchen rückenmassiert Doktor Makarios an der Schnapsbar; der arme Doktor weiß gar nicht, wie ihm geschieht. Da hilft nur die Flucht nach vorn, ins Foyer der Raucher. Leckerer, süßer Tschechenschnaps steht bereit. Hinein damit in den Schlund. Doch weit gefehlt; es ist ein Slibowitz und der Gaumentrog zieht bittere Falten ins Gesicht. Nun denn, was soll’s. Beim Eishockey würde man jetzt rufen: Bully Bully Bully, hinein!