Unterm Kreuz aus Holz (249)


Na, wer kann schon als reisender Musiker von sich behaupten, jemals in einer Friedhofsverwaltung aufgespielt zu haben? Weiterhin gar auf den Geburtstagsfeierlichkeiten eines bestimmt weichen Kissens? Natürlich niemand. Obwohl das mit der Örtlichkeit, unterm Brennglas betrachtet, nicht so ganz korrekt ist. Bühne und Partyraum werden alltags weder von Sensenmännern noch von Gottesackerbuchhaltern bewohnt; eher spielen sich Malgruppen der katzischen Kita „Mischka“ sowie andere Ortsaktivitäten in die Hände. Aber nun. „Friedhofsverwaltung“ steht am Eingangsportal und da wollen wir’s nicht unerwähnt lassen.

 

Gleich um die Ecke präsentiert sich berglings eine spätrömische Kirche, in der sich nicht nur Teile der etwa 570 Einwohner des unteren Greißlautals am WGT die Arme reichen, nein, auch Ostrock-Duos treten hier dann und wann in die Fußstapfen von Mönchen und Nonnen. Wobei jetzt sofort gerufen werden muss: The Russian Doctors sind kein Ostrock-Duo! Und wir wollen auch nicht sagen, wer eines ist. Denn dann heißt es wieder: Im Tourtagebuch der Doctors wird über verdiente Musikerpersönlichkeiten gelästert. An wen gedacht werden dürfte, wird ebenso nicht verraten. Nur noch, dass ein WGT kein Wave-Gothic-Treffen ist, sondern zumindest in Langendorf immer noch als Kürzel für den jährlichen Welt-Gebets-Tag der Frauen (jeweils am 1. Freitag im Monat März) Verwendung findet. Zum Beweis dafür hängt ein Kreuz aus Holz an der Wand des Partyraumes. Genau darunter, Heiligenscheine stets tüv-geprüft mit sich führend, schrauben sich die Doktoren Makarios und Pichelstein den Auftrittsort zurecht.

 

Die Fahrt hierher gestaltete sich recht mühsam; ein russisches Hoch schrieb den Doctors kurz vor Reiseantritt folgendes Fax: „Ihr singt immer noch vom Dichter Pratajev? Dann spürt am eigenen Leibe, wie kalt es der im Winter hatte. Nämlich sehr kalt. Und passt beim Rauchen draußen mal auf, dass Doktor Pichelstein diesmal auch ja eine Mütze auf dem Kopf trägt. Nachts schicke ich Euch mal Minus 23 Grad runter. Maximale Erfolge“. Und so kam es dann auch. Auf dem viel späteren Weg zur Weißenfelser Pension Liebert (wegen Trauerfall morgen kein Frühstück), gewahr werdend, beim Blick aufs Außenthermometer. Schockstarre.

 

Doch bis dahin vergehen insgesamt sehr lustige, deftige, leckere und feierliche Stunden, werden die Doctors vom Geburtstagskissen nach der ersten Drittelpause mit je einem handgefertigten Schlips aus Lurch sowie einem gelben Fettfrosch beschenkt (dafür sei der Dank unermesslich, bestimmt gibt’s viele Erinnerungsfotos), erklären sich Pratajevs historische Lyriken wie „Der Bauch“ im Einzelunterricht und ganz hervorragend: Ein Kollege Igor Pavlowitschs ist ebenfalls zugegen. Kurzum: Viel hat man sich zu erzählen, darunter mixen sich kalte Getränke zu warmen Konzertblöcken. Es gibt alles, was das Herz begehrt und manches, was es lieber nicht gehört hätte. Na gut, wenn im Katzenkitaumfeld wider Erwarten die Katze im Lied stranguliert wird… Der Beifall ist stets auf hohem Niveau, ein Abend, den das Dorf bestimmt lange in Erinnerung behält, neigt sich dem gelungenen Ende. Froh ist man, dass alle beim Abtransport der Bühne zum Bus mit anfassen und dankbar dem Kissen, der Katja, der Melanie und natürlich darüber, dass in der Pension Liebert die Heizungen bestens funktionieren. Da sieht man schon mal über, sagen wir, interessantes Geschmacks-Interieur hinweg. Doch seht selbst:

 

 

Das ist eine Deckenlampe in Bauchhöhe