Pure Emotion auf fünf Buchstaben beschränkt (457)

 

Ob es legal ist, sonntags um acht schon wach zu sein, weiß man nicht. Aber gut, die Winterzeit schenkte eine Stunde und der Abend im Oranienburger Weidengarten schien nicht allzu schnapslastig gewesen zu sein. Da kriecht die Lust auf ein Frühstück mit knusprigem Backwerk nebst Kaffee unlimited locker mit unter die Bettdecke.

 

Ziel der heutigen Sonntagsetappe ist zunächst einmal das Tschechische Dolní Poustevna, bevor es über Dresden-Weixdorf nach Dresden-Langebrück zur nächsten Privatbehandlung weitergeht. Ein einziger Satz, in dem viel Zeit vergeht. Und was macht man mit Zeit? Stets das Allerbeste.  

 

Eben noch schaute die Blätterfee Marcella - zwecks Anti-Aging-Quittengelee- und Restkabelübergabe - in der Pension Oranjehus vorbei, schon heißt es: Links abbiegen auf die B96 Richtung A111/Berlin/A10/Berliner Ring. Dann Pause an der A13. Genau dort, wo die Seychellen sind. Zumindest nach sächsischer Mundart. Denn, laut Doctor Makarios, sind die Seychellen immer da, wo dringend geseicht werden muss.

 

Österreicher brunzen, Sachsen seichen, Franzosen pissen, womit spätestens jetzt jeder weiß, was gemeint ist: das wichtige Markier- und Kommunikationsverhalten musikalisch umtriebiger Räuberbarone nach Art Pratajevs. Gerne unterwegs mit einem kulinarischen Kompass, der klar gen Tschechischer Republik kalibriert ist. Da gerät das (alles andere als) koschere Einkaufen im Dragon Shopping-Center zur Lutscherliebe-Nebensache.

 

 

Im Schein der untergehenden Herbstsonne parken anschließend gänzlich satte Doctoren in Dresden-Weixdorf. Genau vor jenem Anwesen, auf dem im Juli dieses Jahres 50 Jahre Jens, 50 Jahre Dani, 25 Jahre Hochzeit, ergo 125 Jahre Glück gefeiert wurden - und die Russian Doctors (dank Isis Frodo) zu den Russian Dackels aufstiegen. Überreicht werden (einer wunderbaren Idee geschuldet) die leckersten Landfleischer-Salamis der Welt. Nach Abschiedsbeherzung geht es rasch weiter zum Check-in ins DORMERO Hotel.  

 

Ein bisschen Leipzig-Eisenbahnstraßen-Feeling kommt dabei auf. Das Hotel hat sich zu großen Teilen in eine Unterkunft für männliche Migranten gewandelt. Security steht bereit, die meisten Gäste liegen reichlich handygechillt auf Sofas und Kissen herum. Alles cool, schon klärt sich die Zimmerfrage mit großem Frank-Dank. Ja, damit ist der einst geburstagsrunde Gastgeber des heutigen Abends mit im Boot.

 

Bereits zweifach musste die Privataudienz aus bekannten C-Fakten geschoben werden, heute darf sich die pure Emotion auf fünf Buchstaben beschränkten, auf Frank. Ort des Geschehens: Das an einer idyllischen Zugstrecke gelegene Bürgerhaus Langebrück, ehemals „Filmschau“ an der Hauptstraße. Beim Eintreffen eilt Gattin Romy herbei. Herrlich. Drinnen wird bereits ein duftender, mediterraner Buffetzauber aufgebaut, da vergeht stante pede jedes eben noch starke Sättigungsgefühl.

 

 

Dank DJ Scheini steht die Technik im Nu, lässt sich das Doctors-Equipment prima mit der aufgebauten Mobil-Diskothek koppeln. Kaltgetränke werden nach kurzem Soundcheck gereicht, die Sternenstaub-LED-Bar flackert vor Liebe. An dieser Stelle: klare Empfehlung, wenn schon DJ, dann DJ Scheini. Von den Kollegen hört man schlimme Dinge. Benehmen sich wie offene Hosen, pullern nicht auf die Seychellen, sondern geradewohl aufs nächstbeste Kinderkarussell.  

 

 

Das Bürgerhaus füllt sich. Allerorten wird aus Freestyle-Nähkästchen geplaudert. Dafür, dass keine irgendwo entlaufene Dörte Dajana samt Hufeisen im Bauchnabel eingelassen wird, sorgt Romy, ausgestattet mit einem Hand-Metalldetektor im Sicherheitsdienst-Look. Sie gibt die Richtung charmant vor und wird später noch in Badespaß-Spiele mit dem Göttergatten verwickelt werden. Frivol! Bis dahin fließt noch einiges an Wasser die Elbe, respektive einiges an Bulbash die Kehlen hinunter. Sorge trägt dafür ein emsiges, familienumspannendes Thekenpersonal. Chapeau!

 

Der erste am deliziösen Buffet ist Frank „The Tank,“ gefolgt von Dr. Makarios und Dr. Frank B. Pichelstein. Lauter Franks am Start heute. Lauter tapfere, freie Menschen in hungrig-durstiger Mission, womit sich gleich angemessenes in die Namensdeutung einschleicht.

 

 

Was folgt, ist ein Zeitsprung. Weg von der Kulinarik, rein in die Bühnenfront, das Intro verklingt, „Da hält der Wind den Atem an!“ Los geht’s mit dem Pratajev-Part des Abends inklusive Schnellgitarre-Videobeweis. Mittenmang wird eine Trank-Dröhnung nach der anderen serviert, kaum einer im Publikum bestellt alkoholfreies Bier und ein Malbuch dazu. Heiliger Bimbam! Ließ Pichelstein eben noch ein Gitarrensolo aus dem Jazz-Süßwarenladen vom Stapel, folgt mit der „Harten Wirtin“ ein neuer Geschwindigkeitsrekord. Apropos: Wofür steht eigentlich der Heilige Bimbam? In Wodka Spiritus!

 

 

Auf Brüsten kleben Herzen / Steigen auf wie Nebelkerzen / Fall beim Tanzen auf die Füße / Bloß nicht auf den Steiß / Heiß, heiß, heiß … steht aus irgendwelchen, nicht mehr nachvollziehbaren Gründen am nächsten Tag in Pichelsteins Dokumentations-App geschrieben.

 

Noch eine umjubelte Zugabe, eine tosende Schnapsbar dazu, dann wird das Feld DJ Scheini überlassen; nasse Doctors liegen sich in den Armen und danken für den wunderbaren Abend. Womöglich hat man sich bald einen Montag eingefangen. Obschon es sich um einen harmlosen Montag aus Feiertagsgründen handelt. Es lebe die Reformation, die mit den vielen gruseligen Kürbissen.

 

Nicht der Teufel, sondern die Schönheit steckt heute im Detail (456)

 

Das Doctors-Team steht - trotz erst halbwegs überstandener Rhinoviren-Infektionslage - bereit. Die Taktik ist 1A, auf geht’s nach Oranienburg zur nächsten kulturellen Tiefbohrung. Ja, ganz schlecht fürs Klima. Aber da sich kein smarter Kopfhaarpalm-Vertreter der sogenannten „Letzten Generation“ mit Wucht und Umweltliebe an Pratajevs Erben klebte, dürfen sie bis Berlin fahren und nehmen hinwegs nicht die Stadtautobahn, wo (eben!) Aktivisten herumkleben, was zu einem immensen Stau führt.

 

Gänse, Kraniche ziehen in V-Formationen vorbei Richtung Süd-West, verfolgt von aluhutdurchdringenden Chemtrails. Pichelstein drückt aufs Gaspedal, Frank „The Tank“ hat das Navi im Blick, Makarios die Pilze am Wegesrand. Erzählt wird die Geschichte vom „Sachsentod“ und die geht so: In Sachsen wächst der Graue Wulstling, ein zu Hauf gesammelter Speisepilz, der mit dem giftigen Pantherpilz verwechselt werden kann. Pantherpilze kommen in Sachsen nicht vor, dafür aber in Brandenburg. Viele Sachsen, die dortselbst Pilze suchen, verwechseln den Pantherpilz mit dem Wulstling, was kurz nach dem Verzehr zu Halluzinationen und Tobsuchtsanfällen führt. Jede Brandenburger Notaufnahme kann ein Lied von Sachsen singen, die alle Hemmungen verloren, den Schwestern schlimme und anzügliche Dinge hinterherriefen, bevor ein todesähnlicher Schlaf sie übermannte.

 

Pichelstein, der das Pilzesammeln – genau wegen solcher Geschichten – gänzlich in Frage stellt, rauft sich die Haare, parkt den Golf schließlich vor der schmucken Pension Oranjehus. Indian Summer. Es herbstet. Igel rascheln im Laub. Nicht der Teufel, sondern die Schönheit steckt heute im Detail. Selbst wenn man zuvor von einem Wartburg-Luthermobil auf der Landstraße ausgebremst wurde.

 

Rasch die Zimmerschlüssel per Boxcode geangelt, eingecheckt, ruhen. Baumfreund Ekmels 50. Geburtstag im Weidengarten möchte fürwahr mit juveniler Frische erreicht werden.

 

 

 

Kaum ist der Ort des Geschehens erreicht, trifft der Gastgeber mit der Pratajev-Gesellschaft-Mitgliedsnummer 47 als Pedaleur ein. Großes Hallo! Rein in die gute Stube zum Pächter Bob. Für alle Stimmen Kaltgetränke, umspült von bester Musik. Pichelstein richtet die Bühnentechnik und ist sehr dankbar dafür, dass die Techniklage bereits Wochen zuvor per Telefon besprochen wurde. So passt am Ende alles zusammen und der Soundcheck ist kurz. Marcella darf begrüßt werden, lange nicht gesehen. Nicht mehr weit ist es bis zum ersten Herrenknuff der Abordnung des Männergesangsvereins Concordia Teschendorf. Verstrickt in manches Gespräch lässt sich erfahren, dass jemandes Katze frisch überfahren wurde und sogar ein Tierarzt anwesend ist. Tröstlich: "Tote Katzen im Wind" und "Kommt die Katz" dürfen später dennoch zum Besten gegeben werden.

 

Mittlerweile ist der Weidengarten voll besetzt, das Buffet dampfend aufgefahren. Eine Rede! Eine Rede! Baumfreund Ekmel lässt sich nicht lumpen und stellt die Docs als Musikimpfung gegen Krise und Krieg ins hellste Licht. Schon werden Teller mit edelsten Speisen befüllt, arbeiten die meisten alleweil auf den wohlverdienten Schwips am Ende eines langen Tages hin.

 

 

 

Bis es so weit ist, konzertieren Makarios und Pichelstein. Das Intro läuft, der „Schwermut im Herbst“ folgt eine Parade Land- und Schnapslieder, die alle anwesenden Pratajev-Mods redlich feiern lassen. Staunend wird das alles vom eher dem Schlagerhabitat zugetanen Gästeblock zur Kenntnis genommen. Tja, Händchenhalten ist was für die Geisterbahn, ein Doctors-Konzert kein Vortrag über Klemmbausteine, heute darf eskalieret werden. Innerhalb von gleich zwei schnapsbar-geteilten Konzertblöcken. Und es macht super viel Spaß. Danke, lieber Baumfreund Ekmel an dieser Stelle für die Einladung zur Tour de Oranje.

 

Easypeasy, alles andere als vom betrübenden Bluesrock geleckt, galoppiert Pichelstein weiter über die Saiten, dirigiert Makarios durchs Set. Am Ende ist es die Kuh, der’s gut geht - und den Doctors, die noch vorm Umstellen von Sommer- auf Winterzeit das Nachtlager erreichen. Zu einem Drittel gar frisch geduscht. Halleluja!   

 

 

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