Verdorbene Jugendliche (254)


Überm Fluss, im Sanierungsgebiet Treptow-Niederschöneweide, kreisen die Reiher. Forscherfreund Eademakow versucht sich als Tierfilmer der grzimekschen vs. tembrockschen Schule; kaum mag es gelingen, die von Anglern und Fischteichfreunden gefürchteten Könige der Berliner Spreelüfte in die Digitalisierung zu zwingen. Allenthalben fragt man sich, worauf es denn stets hungrige Reiher überm Spreeabschnitt Hasselwerder Park abgesehen haben könnten? Aufgrund der offensichtlichen, eher ins Grünlich-Trübe spielenden Wasserqualitäten folgern die Fischexperten Doktor Makarios und Doktor Pichelstein nur eines: Die wollen an den Karpfen. Der Karpfen ist schließlich ein Sumpffisch; mitunter wird er nicht umsonst das Mastschwein unter den Flussbewohnern genannt.

 

Goldeck-Fotografin & Covergestalterin Claudia richtet derweil die Kamera auf zwei sehnsüchtige Matrosen; die fliegen nicht weg, die bleiben an Bord und haben eine Samtmarie im Sinn. Darunter füllt sich der Kahn, das Jugendschiff Rimili, „the unique alternative ship festival”, nimmt Fahrt auf. Erste Bands sorgen für veritable Klangteppiche; Druschba und Hallo an die Pillbox Tales aus Hamburg! Schönes Wiederhören! Doktor Pichelstein reist mit Veranstalter Marco zwischendurch zur Pension. Die Betten sind bezogen; früher residierte in der Villa der russische Militärgeheimdienst, heute gibt es im Erdgeschoss eine Schuldnerberatungsstelle. Geschichte wiederholt sich: Nicht alle Berliner gingen oder gehen fröhlich pfeifend ins Gebäude hinein. Ganz anders späterhin die Doctors, aber bis dahin ist noch genügend Zeit. Wollen wir an dieser Stelle mal kurz die nachtäglichen Konzerteindrücke unserer Besucherin Miss Ada aus dem Facebook frech übernehmen: „Wache auf mit Schleim am Arm, langen blonden Haaren und mit Lurchenleder gefesselt. Auaua, warum hatte die harte Wirtin gestern eigentlich keine Schnapsbar? Habt ihr schön getanzt, ihr jungen Burschen? Irgendwie höre ich Schreie und stelle fest: In meinem Keller ist noch ein Rotarmist!! Aber immerhin geht‘s der Kuh noch gut! Jetzt aber erst mal nen Biber zum Frühstück - Dr. S.W. Pratajev, klären Sie bitte dieses seltsame Szenario auf!“

 

 

Wir wollen das gerne im Sinne des großen Dichters tun, sagen aber mittenmang, in Großbuchstaben, zunächst DANKE für den Tag auf der rockenden Spree! Danke dem unermüdlichen Marco wie dem Schatzmeister, der als Meister aller Schätze in die Historie dieses denkwürdigen Tages eingehen darf. Herrlich, schön, prächtig. Und vor allem: mediatorisch wertvoll. Schließlich hört man es nicht oft, dass keine Jugendlichen unter 16 Jahren auf ein Jugendschiff gelassen werden dürfen. Ein entsprechendes Werkhof-Schutzgesetz will es so und irgendwo steht da bestimmt neuerdings drin, dass Pratajevs Texte Jugendliche verderben. Wir wollen das nicht behaupten, nur vermuten. Und genau wie die Veranstalter bedauern wir die Abweisungen durch die Security am Steg sehr. Denn die Veranstalter traf keine Schuld; es brach uns gewaltig das Herz, als ganze Vatertagsfamilien am Steg wieder nach Hause geschickt wurden. In Russland hätte es das zu Pratajevs Lebzeiten nicht gegeben! Ein kleiner Trost an dieser Stelle soll die Ankündigung der Jubiläumsplatte der Doctors sein. Denn die trägt im nächsten Jahr den Titel: „Kinderlieder für Heimatlose“. Und, liebe Kinder, kommt alle zum Elbhangfest nach Dresden – Familiensonntag an der Grottenwirtschaft. Welche Abschweifung, denn ein Szenario harrt der Aufklärung.

 

 

Der Sound im Schiffsinneren, auf der Bühne ist ein Fest. „Profi am Mischpult macht gute Laune“ – so die Formel 1 auf musikalischen Reisen. Formel 2 ist reine Poesie: „Lecker gespeist und getrunken, gut verreist und gerne zurück gewunken“. Die Formeln 3 bis 100 erklären wir vielleicht später mal. Aber die Formel 101! Die gibt es selten, nämlich dann, wenn auch zu Ehren Pratajevs, mitten im Set, ein Feuerwerk gegeben wird. Es knallt, scheppert, blitzt und leuchtet am gegenüberliegenden Ufer. Rock AT Spree hat alles, was man sich wünscht und genau das, liebe Miss Ada, klärt das gesamte Szenario auf.

 

 

 

Auf die Familie! (253)


Die Frage des munteren Lesespielabends „Warum Russland“ lässt sich herrlich leicht mit Antworten abfinden; Diane Hielscher, Doktor Makarios berichten in Worten, Doktor Pichelstein greift mitunter zur Gitarre, zur Flasche.

 

 

Die Feinheiten der russischen Vulgärsprache kommen zum Tragen, Pratajev wusste einst gar die Grobheiten zu schätzen. Zwischendurch wird, versehen mit einem Glas Wodka, das Tal der Eisheiligen betreten, einem Trinkspruch auf die Familie im Großen, dann im Ganzen folgend. Während der Fußballclub Bayern München das erste Triple der Vereinsgeschichte anstrebt. Vize-Meister, Vize-Pokalsieger usw.

 

Der letzten Runde folgt ein logischer Gang nach schräg gegenüber, ins Noch Besser Leben. Das hat man sich verdient - und in ein paar Tagen geht’s nach Berlin, aufs Schiff. Großes Festival auf der Spree!

 

Foto: Oliver Baglieri (Edit. PaperOne, Leipzig)

 

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