• home
  • bio_logie
  • nächste auf_tritte
  • tour_tagebuch
  • disko_grafie
  • biblio_grafie
  • prawda
  • impressum
  •  
  • >>pratajev_bibliothek>>
  • >>pratajev_gesellschaft>>
  • >>videos_youtube>>
  • >>groß_markt>>

tour_tagebuch

21. März 2015, Wittenberg/Irish Harp Pub

Wurst aus Teamgeist (316)


Die Erderwärmung untertreibt es mal wieder mächtig; am Tag Eins nach dem Frühlingsanfang ist es kälter als zu Weihnachten. Die Polarexpedition der Russian Doctors ist auf dem Weg nach Wittenberg und einer friert ganz besonders: Der eben erst aus kanarischen Wunderlanden ausgeflogene Doctor Makarios. Seit dem Kachelmann und Ben Wettervogel (ein vom Mittelmeerraum einfallendes Hochdruckgebiet habe ihn selig) vom Bildschirm verschwunden sind, macht TV-Wettergucken keinen Spaß mehr. Die Speerspitze des Schlimmen braut sich in manchem ZDF-Morgenmagazin zusammen. Zuschauerfotos! Mit fotogeshoppten Sonnenaufgängen! Und dann überall diese Frühblüher, die Krokusse des Grauens. Neulich wurden die Zuschauer doch tatsächlich dazu aufgefordert, Fotos von sich selbst, sogenannte Selfies, einzureichen. Nein, man möchte morgens um sieben keine echten Mitmenschen sehen. Erst recht keine vor einem fotogeshoppten Sonnenaufgang. Sondern irre Politiker, wirre Künstler, kühle Moderatoren, die ein wenig an Sprechpuppen mit künstlich aufgemalten Leberflecken erinnern.

 

An der Shell-Tankestelle Leipzig-West legt Makarios das Tour-Motto für die nächsten Interviewfragen fest: „Wir machen jetzt auch Doc-Rock“. Pichelstein versteht nur Hund und ergänzt: „Aber auch ein bisschen Cat-Blues“. Dann geht’s den Teamgeist stärken. Denn ja, Teamgeist ist auf einer Tour sehr wichtig. Der gemeinsame Verzehr von Bockwürsten möge ihn für heute stärken. Doch, nur am Rande, keine Sorge: Nie haben sich die Doctors auf einer Tour gestritten. Das können die gar nicht, denn es gibt ja immer Bockwurst. Und danach ein Shake-Senf. Wer ihn stolz auf der Hose trägt, gehört dazu, zum inneren Zirkel der Doc-Rocker.

 

 

Fürst Fedja parkt den BWM vorm Irish Harp Pub, drinnen träumen alle vom Einzug der Dortmunder in die Champions League-Ränge obwohl sich Schalke gegen die Werkself müht und letztlich verdient verliert. Rückschlag für Dortmund, murrt Fürst Fedja, greift sich vor Wut ein Eiersalat-Brötchen und beißt kräftig hinein. Denn heute wird Frontstage gespeist. Wirt B.N. Guinnessoff – als hätte er es geahnt, der Gute – hat aufgefahren. Es gibt Teambuilding ohne Ende, sprich: Bockwürste, und die sind schneller alle, als Hunde mit neongrünen Blinklichthalsbändern gucken können. Wurst aus Teamgeist! Das kann ja heute nur ein fabulös-genialer Abend werden. Auf zum Soundcheck, die ersten Pub-Bewohner kommen von der Hausarbeit heim. Berlins Vorzeige-Eishockey-Zeitungsarchivar Eademakow bestellt das erste Kaltgetränk. Murphy's Irish Red für Doctor Pichelstein. Und einen Schnaps und noch einen zum Wohlsein.

 

 

Mutti Pia, die unnachahmliche Gefesselt-Queen, gibt sich die Ehre. Vertreten sind die besten Fans der Nordliga, der Hannover Indians. Fürst Fedja und Pichelstein starren gebannt auf den Datenapparat mit Telefonnebenfunktion: Die Icefighters Leipzig gewinnen soeben Spiel 2 der Nord-Ost-Pokalserie gegen den hallensischen Erzfreund mit 5:2. Bockwurst sei Dank. Soviel magisches Denken muss sein. Dann startet das Konzert mit allen Höhen und Höher-Höhen. Wittenberg erlebt eine Weltpremiere: Pichelstein trägt Samtschlips überm aufgeknöpftem Langarmshirt. Weil es der Teamgeist so will. Und wie er rast, kennt kein Halten. In der Pause sagt ein Doctor dem anderen: „Eigentlich ist Set Nummer Eins 60 Minuten lang, wir stehen bei Minute 47“. Darauf einen Gelbschnaps. Die irische Wirtschaft tobt und trinkt. Torgauer Punks sei Dank.

 

Murphy's Irish ist nicht zu toppen. Über den Rotarmisten geht’s nach langem Block zu den Zugaben. Durchs Mitsingen trägt mancher ein wundes Zäpfchen davon. Schwankend heroen die Einen durchs Feld, die Anderen halten sich an Pfosten und auf Barhockern fest. Doch nach der vierten Schnapsbar muss es reichen. Die Teamgeist-Doctoren liegen sich in den Armen und Fürst Fedja beeilt sich. T-Shirts, Bücher, Platten – alles will an die Frau und an den Mann gebracht werden. Während Doctor Pichelstein einen virtuellen Schnellgitarre-Gutschein einlöst: Schülerin Nele bekommt Hausaufgaben auf. Bis zum nächsten Konzert.

 

28. Februar 2015, Leipzig/Privat im Telegraph

50 Shades of Schnaps-Schlips (315)


Mit dem Lächeln eines Holzpferdes im Gesicht beginnt der Samstag. Fürst Fedja und Doctor Pichelstein wurden bereits früh mittags hoheitliche Aufgaben übertragen. Der Weg führt durch mehrere Stadtteile, von Ost nach Mitte nach West und wieder zurück. Am Ort der heutigen Doctor-Spiele, dem Telegraph-Keller, mehrt sich der Tross um Naturtonmann Adrian. Motto: Früher Soundcheck fängt den Wurm. So wird geschleppt, gewuchtet und sich mehrfach die Frage gestellt: Wo sind die guten alten Roadies hin? In Zeiten des Mindestlohnes wird eben alles weniger. Nur der Spaß an der Vorfreude nicht. Gemütliche Stunden später ist das nächste Treffen angesetzt. Diesmal ist auch Doctor Makarios mit von der Partie, Pichelsteins Navigation versagt im Gebäude. Dank Handyortung wird der geschwächte Gitarrendoctor doch noch gefunden.

 

Die Vorbereitungen des abendlichen Geburtstagsevents, ausgerichtet unter Federführung des modernen Pratajev-Forschers Kristian Wilfridowitsch Siverski, laufen bereits auf Hochtouren. Jeder und jede ohne ärztliches Lungenschizophrenie-Attest bläst in Ballons, richtet Tische und Servietten. Des Doctor Makarios‘ zuckersüße Enkelin, angereist mit Daddy Vincent, staunt nicht schlecht, wird wohl versorgt, darf beim Soundcheck zuhören und ins Mikro sprechen. Montags in der Kita wird es einiges in der Raucherecke zu erzählen geben.

 

 

An der Bar wird Leipziger Industriebier für echte Arbeiter ausgeschenkt. Das hat was und befüllt die Richtigen. Man war ja schon recht umtriebig heute. Es folgt die Ankunft der Likör-Großerben Richard Bahners aus dem Thüringischen. Appetitanregende Kräuter, bitter, süß und extra-bitter ohne Zucker regnen in die Kehlen der doctoreken Tester herab. So lecker, da will man gleich mehr und stellt sich immer wieder in die Schlage der Verkostung. Wir sagen: Kirschberger Kräuter-Bitter! Mehr davon zu jeder Tag- und Nachtzeit. Nieder mit den Blähungen, dem Völlegefühl sei der Magenkampf angesagt. Es folgt ein höchst galanter, humoriger Foto-Vortrag eines unweit beheimateten Wolfsforschers mit der Erkenntnis: Die sind ja ganz schön possierlich, die Wölfe, aber im Vorgarten und auf der Dachterrasse möchte man doch lieber Schafe um sich haben. Beides geht nicht. Es sei denn, der dunkle Lord-Liedermacher Ludwig Hirsch setzt sich mit seiner Idee des vegetarischen Wolfes posthum doch noch durch.

 

Pratajev-Forscher und Gastgeber Siverski lenkt den Abend vor Speis und noch mehr Trank dann in eine ganz andere Richtung. „Biber am Amur“ lautet die demnächst im Haus aus Stein Nummer 8 zu bewundernde Eloge. Ins turbulente Frühjahr 1930 wird zurückgegriffen. Und wer über Pratajev doziert, weiß, was dem Dichter immer besonders gut gefiel: leckeres Essen. Das gibt es jetzt zu Hauf. Es dampfen die Silberbehälter, füllen sich Teller und Schüsseln. Man schmaust, hält sich die Bäuche. Die Bitter danach sorgen fürs Gleichgewicht.

 

 

Schon stehen die Doctoren dort, wo sie gerne vermutet werden. Nach dem Intro geleitet Doctor Makarios die Feldmänner ins idyllische Landleben. Eine Pause soll es beim Konzert nicht geben und langsam aber sich steigert sich der heutige Pratajev-Ausflug zum Diskant. Ein Großteil des Publikums kennt mindestens jeden Refrain. Die Damen schunkeln mitunter, die Herren fordern auf zum geistigen Tanze. Wieder tritt sie ein, die unter Psychologen so oft dozierte „selbsterfüllende Prophezeiung“: Wer sich die Doctors zum Feiern einlädt, der wird gefeiert, dem wird gehuldigt bis zur letzten Zugabe. Kuschelhormone setzen sich frei und ein letzter Bitter wird zur Bühne gereicht. Einzig zwei große Impfspritzen, gefüllt mit aromatischem Kirschwodka, bleiben unberührt und müssen anderntags verzehrt werden. Zum Abschluss wird der Live-Troika feat. Fürst Fedja je ein ansehnliches Likörfläschchen vermacht. In Doctor Pichelsteins Geschenketüte schlummert dazu sogar ein edler, schwarzer 50 Shades of Schnaps-Schlips. Da sagen wir frohlockend zum Abschied noch kurz: „Gefesselt gefällt sie mir am besten“.

 

  1. 27. Februar 2015, Leipzig/Café Westen
  2. 21. Februar 2015, Leipzig/Privat im Bandhaus
  3. 17. Januar 2015, Leipzig/Privat im Café Westen
  4. 06. Dezember 2014, Frankenberg/Tischlerei

Unterkategorien

  • 85
  • 86
  • 87
  • 88
  • 89
  • 90
  • 91
  • 92
  • 93
  • 94
impressum + Kontakt